Ehrendingen, 24.02.2024 – Vor 20 Jahren wurde die Poststelle im damaligen Unterehrendingen geschlossen. 15 Jahre lang blieb die Wand der Postfächer ungenutzt. Eine zündende Idee für eine neue Nutzung blieb lange aus. Zeitweise bestand sogar das Projekt, die Postfächer herauszureissen und das entstehende Loch in der Wand mit einem Glas-Schaukasten zu ersetzen. Der Gemeinderat lehnte das ab.
Doch Ende Januar 2020 kam die Kulturkommission vor Ort auf einen Gedanken. Es bestand schon lange die Tradition, gelesene Bücher auszutauschen. Warum dies nicht mit den leeren Postfächern kombinieren? Gesagt, getan. Doch die Umgestaltung war alles andere als einfach, wie Claudio Eckmann berichtet, der tatkräftig am Projekt beteiligt war.
Zum einen sollten alle Schlösser der über 100 Fächer durch kleine Riegel ersetzt werden. Kein leichtes Unterfangen, da in vielen Fällen die Schlüssel zu den Postfächern gar nicht mehr vorhanden waren. Mühsam von der Rückseite her musste Eckmann – der zum Glück das Maurerhandwerk ausübt – bewerkstelligen, die Fächer zu öffnen. Was schwierig war, denn im Innern des Hauses standen bereits Einbauschränke. Diese waren, nach der Aufgabe der Poststelle, Vereinen zur Verfügung gestellt worden, um ihre Habseligkeiten unterzubringen.
So mussten sie – die mit der Lesefreudigkeit der Ehrendinger Bewohnerschaft wenig zu tun hatten – ihre Kästen vorübergehend räumen.
Die effektive Fertigstellung der neuen Bücherwand wurde dann allerdings in Rekordzeit erledigt. Fünf Tage nach dem Start der Schliessfach-Ummontage hatte Eckmann alle Riegel montiert. Zwei Wochen später waren auch die Fächer mit Sorgfalt gereinigt und konnten ihrem neuen Bestimmungszweck übergeben werden.
Mit einer gehaltvollen und mit Medienpräsenz verbundenen Vernissage übergab die Kulturkommission am 18.09.2020 die Wand allen Nutzenden. Das ist also nun bald fünf Jahre her.
Wie hat sich die Einrichtung bewährt? Claudio Eckmann, der zu Beginn eher skeptisch war, ob das Angebot genutzt würde, urteilt positiv. «Es hat sich gut etabliert und wird wirklich rege genutzt». Ich kann das bestätigen, denn zum Interviewtermin vor Ort besucht gerade eine Nutzerin die Einrichtung, deponiert Bücher und nimmt neues Lesematerial heraus.
«Das ist der Sinn der Übung» erläutert Eckmann: «Bring eins, hol eins.» Die Fächer sind nummeriert und mit farbigen Markierungen versehen. Blau für Belletristik, rot für Krimis und so fort. Ein kleines Team stellt sicher, dass die Schliessfächer nicht zweckentfremdet werden und räumt periodisch auf.
Ein hübsches Beispiel für eine positive Umnutzung. Aus einer Brache wurde eine Art «Kreislaufwirtschaft». Bücher werden nicht entsorgt, sondern weitergegeben. Sie reiht sich ein in andere Nutzungen ehemaliger Einrichtungen der damaligen PTT. So haben viele Gemeinden ihre Telefonkabinen auch in Büchertauschbörsen umgewandelt. Das Ehrendinger-Beispiel dürfte aber eine gewisse Exklusivität aufweisen, die umso nützlicher ist, als sich die Büchertauschwand heute beim Eingang des Gemeindehauses befindet, das seit der Fusion von Unter- und Oberehrendingen jetzt im unteren Dorfteil angesiedelt ist.
Die Zahl der Postfilialen wird weiter ausgedünnt werden müssen. Vor einem Jahr wurde bekannt, dass schweizweit weitere 170 Poststellen wegfallen werden. Viele sind auch im Kanton Aargau betroffen. Sollten dort Wände mit Postfächern bestehen die leer werden, wäre Ehrendingen ein Weg, wie daraus etwas Nützliches entstehen kann. Allerdings macht es Sinn, heute schon darauf zu schauen, dass noch alle Schlüssel vorhanden sind.
Bruno Hofer Kommunalmanagement