Riniken, 19.07.2024. – Bernhard Schneider hat schon viele sportliche Erfolge als Triathlet erzielt. So hat er beispielsweise den Ironman Switzerland 2023 in seiner Altersklasse gewonnen. Am Ironman Zürich von 2016 erreichte er den Schweizermeistertitel in der Langdistanz.

 

Normalerweise zieht es ihn allerdings weniger in die Natur als in die Archive. Schneider ist Historiker und in dieser Funktion Verfasser zahlreicher Dorfchroniken. So hat er beispielsweise jüngst für Stallikon eine entsprechende Dokumentation erstellt und beantwortet hier Fragen zu seiner Tätigkeit.

 

Herr Schneider, Wie sind sie dazu gekommen, Geschichte von Gemeinden abzuhandeln?

 

Bernhard Schneider: Da ich mein Studium vollumfänglich selbst finanzierte, hielt ich stets Ausschau nach interessanten Arbeiten, die mir neben Einkommen auch eine fachliche Weiterentwicklung ermöglichten. Als ich im 3. Semester war, schrieb die Gemeinde Knonau am Historischen Seminar der Universität Zürich den Auftrag aus, die Geschichte Knonaus im 20. Jahrhundert zu erarbeiten. Daraus wurde schliesslich ein kleines Buch über die Geschichte der Gemeinde seit den Anfängen, das ich noch vor dem Abschluss des Studiums publizierte. Für mich überraschend rezensierte die NZZ die Arbeit und bezeichnete sie als innovativen neuen Weg zur Erschliessung einer Gemeindegeschichte. Dies hat mir erstens weitere Aufträge für Gemeindegeschichte eingetragen und zweitens mein Bewusstsein geschärft, dass ich stets innovativ sein muss, um erfolgreich am Markt zu bleiben.

 

Welches ist jeweils Ihr Beobachtungszeitraum? Die letzten 100 Jahre oder grössere Zeitspannen?

 

Bernhard Schneider: Je nach dem im Voraus definierten Rahmen umfasst ein Buch die Zeit des Bundesstaates, die Geschichte seit dem Hochmittelalter oder die Besiedlung seit der Jungsteinzeit. Mein Anspruch an mich selbst ist, bei jedem Buch mindestens ein neues Thema zu erarbeiten. Die letzten drei Bücher – über Stäfa, Kappel am Albis und Stallikon – habe ich gleichzeitig erarbeitet und anschliessend innerhalb eines Jahres publiziert. So konnte ich gleichzeitig drei Themen vertiefen, die ich zuvor nur am Rand und vor allem anhand von Fachliteratur abgehandelt hatte: Die Zeit vom letzten Rückzug der Gletscher bis zur Bronzezeit, die keltisch-römische Periode und die Legenden, die auf den Landvogt Aegidius Tschudi zurückgehen, der fälschlicherweise bis heute oft als «Historiker» bezeichnet wird.

 

Wie funktioniert Ihr Business-Modell? Arbeiten Sie im Auftrag von Gemeinden auf Stundenbasis oder liefern Sie eine Menge an Exemplaren ab?

 

Bernhard Schneider: Gemeinsam mit der Gemeinde erarbeite ich eine Offerte, die den Zeitraum, den Umfang, das Format des Buches sowie die Auflage, den Zeitplan und selbstverständlich auch die Kosten umfasst. Oft gehört auch zur Vereinbarung, dass wir in der Schweiz drucken. Gemäss meiner Erfahrung ist es für die Gemeinde von besonderer Bedeutung, dass der Ablieferungstermin und die Kosten exakt eingehalten werden – dass das Buch fachlich einwandfrei ist, liegt in meiner Verantwortung. Dabei ist es natürlich von Vorteil, dass ich verschiedene Formate vorweisen kann und dass ich bisher bei keinem Buch die Kosten oder den Termin überschritten habe.

 

Fokussieren Sie sich auf geographische Regionen oder sind Sie in der ganzen Schweiz unterwegs?

 

Bernhard Schneider: Da ich mich für den Längsschnitt von der Urgeschichte bis zur Gegenwart interessiere, muss ich mich geografisch einschränken. Das Gebiet, in dem ich mich genügend gut auskenne, dass ich die Geschichte einer Gemeinde oder einer Region erarbeiten kann, umfasst neben dem Kanton Zürich die Innerschweiz, den Aargau und die Ostschweiz.

 

Wie lange dauert es im Durchschnitt von der Auftragsvergabe bis zur Fertigstellung eines Projekts und welche Prozessschritte sind damit verbunden?

 

Bernhard Schneider: Dies kommt auf Absichten des Auftragsgebers – beispielsweise ein Jubiläum -, den Umfang des Auftrags und die Projekte, die bei mir bereits in Arbeit sind, an. Bisher dauerte es jeweils zwischen einem und fünf Jahren von der Auftragserteilung bis zur Buchpublikation.

 

Welche Frage, die ich noch nicht gestellt habe, möchten Sie zum Schluss noch gerne beantworten?

 

Bernhard Schneider: Wichtig ist mir ein sachlicher, unideologischer Blick auf die Vergangenheit. Ich erzähle gerne Geschichten, die typisch sind für gewisse Erscheinungen, weil diese viel stärker in Erinnerung bleiben als Theorien, um verschiedene subjektive Sichten darzulegen, denn das Leben ist vielfältig und widersprüchlich. Deshalb schreibe ich oft, wie es gewesen sein könnte, ohne zu behaupten, es sei so gewesen. Und ich löse Widersprüche nicht unbedingt auf, sondern lasse verschiedene Optiken stehen. Ideologen missbrauchen oft die Geschichte, um ihre Glaubenssätze zu rechtfertigen, seien diese nun marxistisch oder postkolonialistisch. Solches liegt mir fern und ich halte es für falsch.

 

Vielen Dank für dieses Gespräch

Bild:zvg.