Die Meldung ging am 24. Juni 2021 durch die Medien: Ab Oktober 2021 wird Martin Flügel die Nachfolge von Renate Amstutz als Direktor des Städteverbandes antreten. Nach etwas mehr als einem Jahr ergreifen wir deshalb die Gelegenheit, die Befindlichkeit des neuen Amtsführers zu eruieren.

 

Kommunalmanagement: Herr Flügel, Sie sind nun seit einiger Zeit neu Direktor des Städteverbandes. Was war ihr erster Eindruck bei Antritt der Stelle?

 

Martin Flügel: Mich hat die Vielfalt und die geballte Kompetenz beeindruckt, die ich angetroffen habe. Und zwar die Themenvielfalt – die Städte sind von sehr vielen sozialen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und ökologischen Themen stark betroffen – als auch die Vielfalt der Städte und Gemeinden, die beim Städteverband Mitglied sind. Von Arosa bis Zürich gibt es enorme Unterschiede bei den Herausforderungen und auch bei den Lösungen, die vor Ort gefunden und umgesetzt werden. Dies ist, neben der Mitarbeitenden der Geschäftsstelle, auch ein ganz wesentliches Element der Kompetenz, auf die wir bei unserer Arbeit zurückgreifen und zu deren Verbreitung unter unseren Mitgliedern wir beitragen können.

 

Kommunalmanagement: Aktuell: welches Thema nimmt Sie momentan am meisten in Beschlag?

 

Martin Flügel: Bis vor den Bundesratswahlen war es die Frage der Versorgungssicherheit mit Strom und in den Städten ganz besonders auch mit Gas. Das ist für die Städte eine grosse Herausforderung, denn in der Stadt leben sehr viele Menschen, die von einer Mangellage betroffen wären und die auf eine gute Vorbereitung der Verwaltung auf diese Situation – zum Beispiel der Einrichtung von Notfallplätzen, der Kommunikationsmittel oder der Blaulichtorganisationen – angewiesen sind. Mit der Bundesratswahl ist dann plötzlich die Frage der Vertretung der Städte zum dominierenden Thema geworden. Dass diese Frage Aufmerksamkeit findet, ist schon richtig, aber es sollte auch nicht übertrieben werden. Mit Bundesrätin Keller Sutter aus Wil und Bundesrätin Amherd aus Brig sind zwei Städte im Bundesrat vertreten, die sehr repräsentativ sind für die Mitglieder des SSV.

 

Kommunalmanagement: Städte in der Schweiz stehen vor zahlreichen grossen Herausforderungen. Aus Ihrer Sicht: welches sind die drei Grössten.

 

Martin Flügel: Ich muss gestehen, dass mir eine solche Einschränkung auf drei Themen etwas schwer fällt. Unvorhergesehene Ereignisse wie ein Krieg in Europa können mit der Unterbringung von tausenden von geflüchteten Menschen kurzfristig zu Herausforderungen für die Städte führen, die alles andere in den Schatten stellen. In der langen Frist sind sicher die Anpassung an den Klimawandel – Stichwort Hitze und Überschwemmungsrisiken – und Massnahmen zum Klimaschutz wie der Ausbau von Fernwärmenetzen oder die Einrichtung von Ladestationen für E-Mobile ein zentrales Thema für eine Stadt mit hoher Lebensqualität. Dazu kommt die durch das Raumplanungsgesetz geforderte Verdichtung, die immer mal wieder mit anderen städtischen Phänomenen wie dem Lärm, dem Denkmalschutz oder dem Verkehr kollidiert und wo neue Lösungen gefunden werden müssen. Eine zentrale Rolle kommt für viele Entwicklungen der Digitalisierung zu, die aber auch zuerst noch konzeptioniert und finanziert und generell in einer auf die föderalen Strukturen der Schweiz ausgerichteten Form bewältigt werden muss.

 

Kommunalmanagement: Wenn Sie in die Zukunft blicken: wird der Trend zur Verstädterung der Schweiz weiter gehen und wo wird er enden?

 

Martin Flügel: Mit dem neuen Raumplanungsgesetz sind der Verstädterung zumindest in der Fläche gewisse Grenzen gesetzt. Das Gebot der Verdichtung führt aber dazu, dass weitere Gemeinden einen verstärkt urbanen, städtischen Charakter annehmen. In diesem Sinn ist die Verstädterung eine durchaus sinnvolle Entwicklung, denn nur so können wir verhindern, dass wir unsere ganze Landschaft zubauen. Ein Ende wage ich da nicht zu prophezeien.

 

Bild zvg.