
Standortförderung ist eine vergleichsweise junge Disziplin die vorerst vor leeren Rängen (Bild) stattfand. So richtig bekannt wurde sie im Kanton Neuenburg. Ich erinnere mich gut, wie in den 90er Jahren dort ein Standortförderer Firma um Firma ansiedelte und grosses Aufsehen schweizweit erregte. Leider ist mir sein Name entfallen und ich fand es auch via Google nicht mehr heraus. Der Neuenburger Standortförderer, der aus der Ostschweiz kam, machte seinen Job so gut, dass er sogar im Bundesrat vorgeladen wurde, um seine Geheimnisse der Ansiedlungsstrategie preiszugeben. Und seither ist es ein Begriffspaar: Standortförderung heisst Firmen ansiedeln. Nicht mehr und nicht weniger. Ein guter Standortförderer ist einer, der tolle Firmen bringt.
Wie oft habe ich schon in meiner Praxis gehört «wir brauchen keine Standortförderung, denn wir haben genug Firmen!» Peng, Türe zu. Ende der Durchsage.
Standortförderung begann man zu «machen», wenn man mehr Firmen am Ort ansiedeln wollte. Es ging um das Besiedeln, um Standortmarketing zur Schaffung von Aufmerksamkeit, um Zuwanderung, Ausdehnung und darum, Wachstum auszulösen. Und vom Standortförderer erwartete man, dass er es schaffte, Firmen anzusiedeln. Das war sein Auftrag. Schaffte er es nicht innert nützlicher Frist, wurde er weggeekelt oder spediert.
Und so erhielt an vielen Orten Standortförderung einen zyklischen Charakter. Der Life-Cycle war immer gleich: Zuerst sagt man, «wir müssen doch auch Standortförderung machen, wir müssen Firmen haben». Dann stellt man jemanden ein, heisst ihn überschwänglich willkommen, belädt ihn mit einem unmöglich erfüllbaren Pflichtenheft und ist enttäuscht, wenn nicht in wenigen Monaten in der Steuerkasse der Zaster klimpert. Dann streicht man die Mittel, schafft die Standortförderung gleich wieder ab, weil «sie ja doch nichts bringe» und verzieht das Gesicht, wenn das Wort «Standortförderung» nur schon fällt. In ein paar Jahren beginnt dann das Spieli wieder von vorn. Man sagt «wir müssen doch Standortförderung machen» und so weiter und so fort.
Von Bestandespflege war kaum je die Rede. Ja, natürlich sollte man auch nett sein zu den Firmen, die schon in der Gemeinde sind. Aber dafür extra eine «Standortförderung» einführen? Nicht nötig. Bestandespflege als Disziplin pflegen? Nein.
Und jetzt kommt Winterthur. Die Organisation der Standortförderung verursacht einen Tabubruch der gar nicht hoch genug gewertet werden kann. Er darf Signalcharakter haben. Winterthur geht wirklich hin und sagt: Standortförderung kann auch noch etwas anderes sein als Firmen anzusiedeln. Welch ein Sakrileg! Aber ein Gutes. Das muss Schule machen, finde ich, denn darum geht es.
Im neuen Leistungsauftrag der Winterthurer Standortförderung steht geschrieben, dass die Anlockung neuer Unternehmen nicht mehr im Fokus stehe. Es könne auch gut sein, wenn bestehende Unternehmen wachsen, neue Arbeitsplätze schaffen und sich entwickeln. Hier will die Standortförderung unterstützen und helfen.
Ich gratuliere zum neuen Leistungsauftrag und wünsche der Standortförderung Winterthur gutes Gelingen!
Ihr
Bruno Hofer