
Ein Gespenst geht um in der Schweiz. Das Gespenst der Pendlerstatistik. Zahlreich sind – für jede Gemeinde exakt zugeschnitten – die Medienberichte, die zurzeit aus dem Boden spriessen. Fleissig die Journalisten? Nein, im Abspann erscheint des Rätsels Lösung: «Die Texte sind mit Unterstützung eines Algorithmus erstellt worden.» Algorithmen: Dahinter stecken nicht neue Nahrungsmittel wie Meeresalgen, sondern Roboter der künstlichen Intelligenz (AI).
Wir wollen nun nicht darüber sinnieren, wie nützlich und sinnvoll es ist, wenn Roboter den Journalisten die Freude am Schreiben nehmen, das wäre eine andere Blog-Geschichte evtl. mal für später. Wir wollen uns heute über den Pendler unterhalten.
Na, ja. Ein Pendler ist – gemäss eidgenössischer statistischer Lesart – ein Mensch, der frühmorgens oder allenfalls wenn verschlafen auch später das Haus verlässt und zur Arbeitsstelle strebt. Diese kann sich innerhalb der Gemeinde befinden oder auch ausserhalb. Wer das Haus verlässt, ist eine Pendlerperson.
Bundesrätin Doris Leuthard äusserte einmal den Wunsch, es wäre gut, die Pendlerei würde reduziert. Zum Nutzen der Umwelt.
Heisst das also nun, dass Gemeinden, die sich dadurch auszeichnen, dass viele Menschen zwar hier wohnen, aber häufig wegpendeln, ihre Hausaufgaben schlecht erfüllt haben? Oder umgekehrt: Bieten jene Orte, die viele Zupendler haben, zu wenig coolen Wohnraum an?
Man sieht, die Sache wird verzwickt. Und die Pendlerstatistik mutiert zur Anleitung zum Unglücklichsein nach Watzlawick. Wer schaffte es schon, Deckungsgleichheit zu erzielen bezüglich der Menge der Wohnenden und der Arbeitenden?
Richtig interpretiert wird eine Pendlerstatistik nur durch das Gesamtbild. Nehmen wir zum Beispiel Spreitenbach im Aargau. Hier wird festgestellt, dass viele Menschen zupendeln. Ist Spreitenbach deshalb eine «schlechte» Gemeinde? Fakt ist, dass Spreitenbach einen industriell-tertiären Hotspot im Limmattal darstellt und sehr viele Arbeitsplätze anbietet. Zu meinen oder zu erwarten, dass die Menschen, die nach Spreitenbach zur Arbeit kommen, alle auch in Spreitenbach wohnen sollten, ist übertrieben und nicht angemessen.
Die Frage, auf die es einzuwirken gilt, ist eher: Wie werden die vorhandenen Pendlerströme abgewickelt? Sitzt jede einzelne Person in ihr geliebtes Luxuslimousinchen und tuckert im Stau von A nach B, oder gibt es intelligente Lösungen für die Bewältigung der Verkehrsströme? Kann der ÖV genutzt werden? Gibt es Einrichtungen von E-Autobahnen für Fahrräder? Wie optimiert man die Kombination von Fern- und Präsenzarbeit? Sind Online-Konferenzen eine Selbstverständlichkeit?
Ein Kaninchen-Schlangen-Blick auf die Pendlerstatistik ist also nicht sehr hilfreich. Viel Wichtiger sind Lösungen zur Bewältigung der Pendlerei.
In Hamburg werden alle Mobilitätsangebote auf einer einzigen App verfügbar gemacht. Seit Mitte 2020 ist diese Anwendung auf dem Markt verfügbar. Hier können Informationen und Buchungsmöglichkeiten aufgerufen und abgewickelt werden. Das Spektrum reicht von der Verbindungsauskunft bis zum Fahrkartenkauf.
Vielleicht schielt die Schweiz mal ein bisschen ins Ausland. Gerade heute täte das Not – auch zur Bewältigung der Corona-Pandemie. Kein Ruhmesblatt, wie Mütterchen Helvetia im Vergleich zu Israel das Impfthema verschlafen hat.
Übrigens: Wenn Sie mehr wissen möchten über Ihre Gemeinde und deren Pendler, so können Sie (->hier) die Pendlerstatistik downloaden.