
Dass die Stadt Zürich ein teures Pflaster ist, wussten wir bereits. Sie liegt noch vor Hongkong und New York. Nur Tel Aviv, Paris und Singapur haben höhere Lebenshaltungskosten. Doch jetzt wird es noch teurer. Die Stadt am See hat nämlich beschlossen, die Lebensqualität weiter zu steigern und im Umweltschutz weiter voranzugehen. Im Stadtverkehr soll Flüstern zur Mode werden.
Rund 200 Strassenkilometer der Limmatstadt sollen in den nächsten Jahren mit lärmarmen Belägen ausgerüstet werden. Ausgangspunkt ist ein Lärmgrenzwert, der behördlich festgelegt wurde. Die Festsetzung erfolgte gewiss aufgrund von fachtechnischer Expertise. Man hat ja heute für alles die entsprechenden Daten und es wird nicht mehr lange dauern, bis unsere Gesetze von Roboter-Kommissionen ausgeheckt werden, die mit künstlicher Intelligenz die wirklich korrekten Vorgaben für das menschliche Zusammenleben vorgeben können. Die lästige Politik wird dann endlich obsolet. Aber bleiben wir beim Flüstern.
Also: überall dort, so der Beschluss der Stadtweisen von Zürich, wo dieser Lärmwert nicht mit einer Temporeduktion auf Tempo 30 erreicht werden kann oder wo Tempo 30 nicht möglich ist, soll der Leiseteppich auf der Strasse eingepflegt werden. Wo soll bitte Tempo 30 objektiv nicht möglich sein? Aber lassen wir das. Das ist zu politisch.
Dumm nur, dass der leisere Belag dreimal weniger lang hält als ein herkömmlicher Belag, wie einem Artikel in der Zeitschrift KommunalDienste 02/2022 entnommen werden kann. Die Folge seien eine höhere Anzahl von Baustellen mit damit verbundenen Strassensperren und natürlich auch den Lärmimmissionen. Die Mehrkosten sind beträchtlich. Die Stadt muss zahlen, die Steuerbelastung wird zunehmen und die Lebenshaltungskosten dadurch auch. Und der Lärm wächst presslufthammerbedingt an, wenn auch nicht permanent.
Tröstlich einzig, dass auch der Bund einspringt. Es stehen Beiträge in Aussicht im Rahmen einer Programmvereinbarung zur Strassenlärmsanierung. Gut, dass es für fast alles eine Subvention gibt.
Wie gross die Wohltat ist, welche die Lärmverminderung der Bevölkerung schenkt, ist statistisch-technisch klar messbar. «Die erzielte Lärmminderung beträgt beim besten Typ von lärmarmen Belägen, der im Grundsatz eingebaut werden soll, bei Temo 50 rund drei Dezibel, und bei Strecken mit Tempo 30 rund zwei Dezibel.» heisst es im Artikel. Kombiniere man Temporeduktion und Lärmarmbelag mache die Reduktion demnach fünf Dezibel aus. Wow.
Vergleich wir das mal mit Daten: Ein Presslufthammer schafft gut und gern 120 Dezibel an Lautstärke. Ein Fernseher in Zimmerlautstärke bringt es auf 65, ein Staubsauger auf 70. Kein grosser Unterschied. Wenn ich nun von 70 auf 65 reduziere und das in Beziehung setze zu den 120 beim Presslufthammer, die bei der zugegeben vorübergehenden aber doch zweimalig zusätzlichen Lärmimmission der nötigen Baustelle durch die verkürzte Lebensdauer, dann bin ich mir über die Wohltat nicht mehr so sicher.
Auch ohne Flüsterbelag gibt es bei der Temporeduktion von 50 auf 30 km/h eine Reduktion der Lärmbelastung von zwei Dezibel. Zusätzliche drei Dezibel werden gewonnen mit einem Flüsterbelag. Diese Differenz wird wohl kaum gross wahrnehmbar sein.
Überall auf Tempo 30 reduzieren und das Geld für Flüsterbeläge einsparen wäre wohl die bessere Option. Denn die Stadt kann dieses Geld gut anderweitig zweckentsprechend verwenden. Der OeV fordert nämlich von der Stadt eine Entschädigung für die Mehrkosten, die durch Tempo 30 entstehen: Staus und Behinderungen. Der Bus kommt nicht mehr durch und kann den Fahrplan nicht einhalten. Auch wegen den Velofahrern.
Ihr
Bruno Hofer
Kommunal-Insider
10.07.2022
Und hier ein paar mögliche Massnahmen: Auf nationaler Ebene könnte man eine Testimonial-Kampagne lancieren nach dem Motto: “Warum ich gerne für die öffentliche Hand arbeite.”
Auf lokaler Ebene kann man natürlich Fusionen durchführen, was den Fachkräftemangel sicher entschärft. Doch das dauert. Weitere Massnahmen:
- Wirklich alle Kanäle der Standortinformation nutzen. Die Jobs auch auf der Webseite der Gemeinde ausschreiben. Social Media-Kanäle einbeziehen. Wie Privatfirmen dies auch tun.
- Tonalität der Ausschreibung attraktiver als bisher gestalten.
- Weiterbildungsmöglichkeiten, Arbeitssicherheit und Work-Life-Balance betonen.
- Quereinsteigende zulassen und ermuntern.
- Jungen bessere Löhne zahlen. Vergleiche hier zu den Artikel in der NZZ am Sonntag.
- Attraktivität als Arbeitgeber steigern. Fringe Benefits sind zwar schwieriger als in der Privatwirtschaft, vielleicht gibt es aber Kooperationen mit lokalen Partnern im beiderseitigen Interesse.
- Gemeindestruktur modernisieren, um antiquierten Images entgegenzuwirken (Fachbegriff Gemeindeschreiber).
- Von den Ergebnissen des Förderprojekts für Fachkräfte der FHNW profitieren, das auch von der Stiftung des Gemeindeverbandes unterstützt wird.
Es gibt also einige Möglichkeiten Abhilfe zu schaffen. Nicht alle sind gleichermassen passend – die Vielfalt der Gemeindelandschaft ist gross.
Ihr
Bruno Hofer
Kommunal-Insider
07.07.2022