Riniken, 02.09.2024 – Viele Gemeinden in der Schweiz stehen vor beträchtlichen Herausforderungen im Zusammenhang mit dem Wachstum der Bevölkerung und der baulichen Gestaltung. Bausünden der Vergangenheit gilt es zu bereuen und Wiedergutmachung steht im Raum.

Zwar sind eingezonte Grundstücke vorhanden, doch fehlt es oft am politischen Willen, diese in eine Gesamtschau einzubeziehen und sie einer sinnvollen Nutzung zuzuführen. Dies hängt einerseits damit zusammen, dass viele Grundeigentümer ihre Liegenschaften nicht zur Überbauung freigeben wollen. Anderseits besteht in der Bevölkerung Skepsis gegenüber dem Wachstum generell und man verweigert sich visionären Vorstelllungen ganz, obwohl diese ja auch positiver sein könnten als der ist-Zustand.

Testplanungen sind geeignete Instrumente, um solche Themen anzugehen. Man lädt mehrere Fachteams ein, gibt ihnen verschiedene fachliche Vorgaben, für ein bestimmtes Gebiet eine Entwicklung zu visualisieren und thematisieren und ist gespannt, was dabei herauskommt. Ziel ist nicht ein Projektwettbewerb, sondern eine Zusammenschau aus verschiedenen Blickwinkeln.

Ein aktuelles Beispiel für einen solchen Prozess findet sich in Thunstetten. Die Gemeinde zählt rund 3500 Einwohner und liegt im Bezirk Oberaargau des Kantons Bern. Hier wurde eine Testplanung initialisiert unter Beizug von Prof. Dr. Bernd Scholl, einen emeritierten Professor der ETH.

Ausgangslage sind bauliche Reserven von 7,7 ha Wohn- und Mischzone und 14,3 ha Arbeitszone, sowie viel Potential in den überbauten Gebieten. Total 32 ha.

Am Anfang stand eine Lagebeurteilung mit Bevölkerungseinbezug. Danach erwirkte man 2022 an der Gemeindeversammlung einen Kreditbeschluss von CHF 500’000.-.

Die eigentliche Testplanung wurde gestartet am 21.03.2023 mit einem öffentlichen Informationsanlass.

Drei Expertenteams wurden beauftragt, jedem wurden CHF 70’000.- zugesprochen. Jedes Team rekrutierte sich aus verschiedenen Experten, wodurch ein qualitativ höchststehendes Wissensmanagement zusammenkam. Man gab dem Prozess rund ein Jahr Zeit. Mehr nicht.  

Das Ergebnis der Testplanung wurde wiederum im Rahmen eines öffentlichen Anlasses bekanntgemacht. Dieser fand am 03.04.2024 statt.

Allen drei Expertengruppen waren gewisse Prinzipien wichtig: Die eingezonten Grundstücke sollen nur schrittweise überbaut werden. Umliegende Weiler sollten erhalten bleiben, da sie für die Identität der Gemeinde wichtig sind.

Seither wird umgesetzt. In zahlreichen Feldern. Für Hans Peter Vetsch, Gemeindepräsident von Thunstetten ist das Resultat sehr hilfreich: «Wir haben nun einen Synthesebericht in der Hand der uns hilft gezielt, strukturiert und effektiv die Zukunft der Gemeinde Thunstetten zu gestalten.» Ohne Testplanung, so ist Vetsch überzeugt, hätte man «einfach von der Hand in den Mund gelebt» und wäre ohne Gesamtschau in die Zukunft spaziert.

Für Vetsch, ein Verkehrsfachmann, ist klar, «ohne Weitsicht ist die Gefahr von Fehlplanungen gross.» Um die richtigen Schritte auf den Weg zu bringen, müsse man auch «qualifiziert disqualifizieren» können. Dafür diene das Instrument der Testplanung, weil dadurch ein Optimum an Ideen kreiert werde, die umfassend geprüft würden.

Bild: zvg