
Tempo Teufel
Kaum ein Thema beschäftigt Gemeinden zurzeit so stark wie die Tempo-30-Frage. Auslegeordnung und Analyse.
10.11.2025 – In Kaisten im Kanton Aargau soll am 30. November 2025 flächendeckend Tempo 30 beschlossen werden. So will es jedenfalls der Gemeinderat und die Gemeindeversammlung hat zugestimmt. Das Referendum läuft. Die Massnahme mache die Strassen sicherer, der Verkehr habe stark zugenommen, zitiert die Zeitung «Blick» den Gemeinderat. Die mit einer Temporeduktion verbundene Lärmreduktion steigere die Wohnqualität. Die Gegner sprechen hingegen von Bevormundung, Unfälle wegen überhöhter Geschwindigkeit habe es seit 30 Jahren nicht mehr gegeben und punktuelle Temporeduktionen in Quartieren täten vollauf genügen.
Unterstützung geniesst die Gegnerschaft in Bern. Im Bundesparlament hat Peter Schilliger (NR/FDP) eine Motion eingereicht, die für Einhaltung der Tempohierarchie sorgen will. «Insbesondere 50 km/h auf den innerörtlichen verkehrsorientierten Strassen» solle gelten.
Er hat offensichtlich die Unterstützung des zuständigen Bundesrates. Albert Rösti plant eine Verordnung, die Tempo 50 als Regelfall ebenfalls festlegen soll. Dies berichtete der Tages Anzeiger im Juni dieses Jahres.
Doch dies ruft nun den Städte- und den Gemeindeverband auf den Plan. Sowohl Claudia Kratochvil-Hametner vom Gemeindeverband als auch Monika Litscher vom Städteverband verweisen auf Anfrage dieses Newsletters auf eine aktuelle Demarche.
In einem offenen Brief der kommunalen Ebene – eine sehr seltene Aktion – wehren sie sich «gegen eine Einschränkung der Gemeindeautonomie bei der Anordnung von verkehrlichen Massnahmen.» Über 600 Gemeinden aus der ganzen Schweiz (vgl. Bild) haben unterzeichnet.
Dass Gemeinden mittlerweile stärker dafür einstehen, um ihre Autonomie zu verteidigen, lässt sich vielleicht auch mit dem 25jährigen Jubiläum des entsprechenden Verfassungsartikels erklären. Diese im Rahmen der Totalrevision 1999 beschlossene Bestimmung fordert gegenüber früher den verstärkten Einbezug der kommunalen Ebene. Die Feierlichkeiten könnten das Bewusstsein landesweit geweckt haben, dass man sich auf dieses Instrument ja auch vermehrt berufen könnte. Die kommunale Ebene will sich vermehrt positionieren als bedeutender Faktor in diesem Staat.






