Tempo Teufel

In Horgen hat ein grün getarnter Blitzkasten für rote Köpfe gesorgt. Worum geht es wirklich? Eine Analyse. 

30.07.2025 – In Phase 1 einer Geschwindigkeitsbusse beherrscht mich das Schikane-Narrativ. Für mich ist klar: Wenn ich zu schnell fahre, kriege ich nur deshalb eine Busse, weil der Staat mich als Autofahrer schikanieren will. Und weil die Links-Grünen finden, ich solle zu Fuss gehen oder Velo fahren. Zumindest denke ich das in jenem Moment, wenn der Blitz aus dem Kasten in mein Gesicht fährt.

Ist die Wut verraucht, folgt Phase 2. Das Sicherheits-Narrativ übernimmt die Führung in meinem Kopf. «Regeln sind da, um die Bevölkerung zu schützen». Zumindest ein bisschen, denn Unfälle gibt es immer wieder und das ist gesellschaftlich akzeptiert, sonst müsste Autofahren verboten werden (wie bis vor 100 Jahren im Kanton Graubünden – aber das ist eine andere Geschichte).

Wenn nun also Horgen grosses mediales Aufsehen erregt, weil dort ein Blitzer mit einem grünen Naturkleid fast unsichtbar lauert, ist das wegen dem Schikane-Narrativ. Geschimpft wird über Abzockerei. Wenn schon Kontrollen, dann bitte solche, die man auch vorhersieht, damit man ihnen ausweichen und Geld sparen kann.

Geht es wirklich um den Blitzkasten? Oder eher um die Auffassung, Verkehrssicherheit sei sekundär, Hauptsache man gelangt schnell von A nach B.

Und hier liegt das Grundproblem.

Es ist zwar erwiesen, dass versteckte Kontrollen mehr Wirkung entfalten. So hat beispielsweise eine Studie aus Neuseeland aus den späten 90er Jahren aufgezeigt, dass versteckte Blitzer zu allgemeinem Temporückgang führen. Die Unfallrate sank um 11 Prozent, Verletzungen um 19 Prozent und es gab 8 Prozent weniger Verletzte pro Unfall im Vergleich zu sichtbaren Blitzern. Eine Metaanalyse aus 35 weltweit durchgeführten Studien 2011 ergab dasselbe Ergebnis: Reduktion von Unfällen und Reduktion der Schwere der Unfälle.

Man müsste also weniger darüber reden, ob Blitzkästen sichtbar oder unsichtbar sein sollen, sondern darüber, welche Werte uns in der Gesellschaft wichtiger sind: So schnell wie möglich von A nach B oder der gesundheitliche Schutz der Bevölkerung. So lange die Debatte auf dem Abzocker-Narrativ läuft, wird es keine Beruhigung in der Diskussion geben. Aktuell ist das Thema der Blitzer ein Katz- und Maus-Spiel. Das darf es eigentlich nicht sein.