«Wir wollen keine anonyme Schlafstadt sein, sondern ein aktives soziales Zusammenleben fördern. Das geht am besten, wenn die Bevölkerung Verantwortung übernehmen kann für ihr eigenes Wohnumfeld.» Dieser Ausspruch gilt für die Stadt Bern. Und sie stammt von Alex von Graffenried, dem Stadtpräsidenten. Er ist auffindbar in der Zeitschrift Immo!invest, die sich in einer neuen Ausgabe mit dem Kanton Bern beschäftigt unter dem Titel „Gemächlichkeit als Erfolgsfaktor“. 

Die Lebendigkeit des Austauschs ist auch für die Standortförderung auf kantonaler Ebene eine Grundbedingung von Wirken und Gestalten. Man hört zwar weniger darüber als von anderen Kantonen, aber das hat auch einen Grund, wie Sebastian Friess, Vorsteher des Amtes für Wirtschaft und Standortförderung des Kantons Bern im Gespräch mit Kommunalmanagement betont. «Uns ist es wichtig, erstklassige Dienstleistungen für Auf- und Ausbauvorhaben von Berner Unternehmen anzubieten.» Dabei gehe es um die Förderung innovativer Projekte, das Coaching von Jungunternehmen oder um das Vernetzen von Unternehmen im Oekosystem. «Auch in der internationalen Ansiedlung sind wir vorne mit dabei, manchmal für den Kanton Bern, manchmal für Projekte, die letztlich an einem anderen Ort in der Schweiz Fuss fassen.»

Dabei macht man kein grosses Aufheben. Die Kommunikation nach aussen beschränke sich im Wesentlichen auf den Jahresbericht und ein Wirtschaftsmagazin, erläutert Friess. «Demgegenüber sind wir sehr präsent bei unseren Partnern, Kundinnen und Auftraggebern.» In den Medien lese man in der Tat wenig davon und: «Das ist gut so!».

Ein anderer Weg also bei der Standort-Kommunikation. Wo andere Städte, Regionen und Kantone jede infinitesimale Veränderung eines Zustandes sogleich in den Rahmen einer Medienmitteilung kleiden und an die Öffentlichkeit weiterreichen, geht der Stand Bern ganz bewusst einen anderen Weg. Welcher wohl besser ist? Sicher ist: Der Tag hat für alle nur 24 Stunden. Und es zählt nur das, was als langfristiges Ergebnis stehen bleibt.  Vielleicht wäre das mal eine wissenschaftliche Untersuchung wert? Besteht eine positive Korrelation zwischen der Anzahl an versendeter Medienmitteilungen mit der Wertschöpfung in einem Standort? 

Auf alle Fälle übernimmt «Bern» eine starke Rolle in interkantonalen Organisationen, insbesondere zusammen mit den Westschweizer Kantonen, wie Friess weiter mitteilt. Gesamthaft gesehen ist der Kanton Bern eine Art hidden Champion unter den Kantonen. «Unsere wirtschaftliche Stärke liegt in der Hochpräzisionsfertigung», berichtet Friess. «Die Uhrenkonzerne existieren, weil sie von einem grossen, hochspezialisierten Netzwerk von Zulieferbetrieben umgeben sind». Diese würden hochpräzise Bauteile fertigen, Miniaturachsen oder Kleinst-Kugellager fräsen, Oberflächen veredeln und Mikroelektronik liefern. «Die dahinterstehenden KMU sind nicht selten in dritter oder vierter Generation familiengeführt, haben eine sehr hohe Fertigungstiefe und sind in der Nische eines Spezialbereichs tätig». Klassischer könne man «Hidden Champions» eigentlich gar nicht darstellen, urteilt Friess. Dieses Zuliefernetzwerk sei das Rückgrat der Berner Wirtschaft. Es werde ergänzt durch Hochpräzisionsfertigungsbetriebe im Medtech-Bereich, da auch hier die grossen Konzerne auf die gleichen Kompetenzen und Skills angewiesen seien.

Hinzu komme eine kleine, feine und weitgehend unbekannte IT-Szene in und um die Stadt Bern. «Das reicht für ein starkes Wirtschaftsökosystem von Weltklasse.»

Sebastian Friess ist seit Mai 2017 beim Kanton Bern als Standortförderer, seit Mai 2019 auch als Amtsvorsteher tätig. Der promovierte Naturwissenschaftler und Ökonom startete seine Karriere am Flughafen Zürich, war in der Privatwirtschaft tätig und weist auch Expertise auf Bundesebene aus: Von November 2010 bis zum April 2017 war er Leiter Innovationspolitik im Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation SBFI. Wenn es die Zeit zulässt, und die ist knapp bemessen, zieht es ihn in die Natur des schönen Kantons Bern.