
Toni Vescoli legte es «Susann» in den 70ern in den Mund: «Ufem Land isch doch nüt los», sang sie. Damit schaffte Vescoli einen grossen Hit. Im Song endete es wie oft heute: Susann zog wieder aufs Land hinaus. Sie hatte in der Stadt einen Freund gefunden und war mit ihm hinaus zurück aufs Land gezogen wo sie sich mit ihm gemütlich niederliess. Und wenn Sie nicht gestorben sind…
Wie der Tages Anzeiger vom 12.09.2021 meldet, ziehen auch heute Menschen wieder mehr Menschen aufs Land hinaus als auch schon. Untermauert wird das Thema durch eine Studie der UBS. Vor allem Basel leide seit Jahren unter einer Stadtflucht.
Doch wie ist die Lage wirklich? Ist es eine temporäre Erscheinung? Ist die Politik schuld? Hat es mit der Pandemie zu tun? Ist der Trend schweizweit gleich? Hat der Städteverband dazu eine Gegenstrategie?
Also der Reihe nach:
Stichwort: Eine Folge der Pandemie?
Ja, die Pandemie war auch ein Auslöser. Die Nachfrage nach Wohnraum im Grünen nahm zu. Home-Office spielte eine grosse Rolle. Für nicht wenige Unternehmen ist klar: Der Trend wird bleiben. Büroräume in Zentren werden reduziert. Der Wunsch nach den eigenen vier Wänden wurde grösser. Und dabei musste es auch ein Büro sein, was den Flächenbedarf zusätzlich erhöhte. So lässt sich anhand der UBS-Zahlen zeigen, dass im Pandemiejahr 2020 viel mehr Menschen aufs Land zogen als in den Vorjahren. Hinzugekommen sind aber auch andere Trends. Wohnen in Städten wird für viele langsam unerschwinglich. Teure Mieten, zu wenig Bauprojekte: Das sind einige Faktoren. Hinzu kommt aber etwas ganz anderes: Landgemeinden in Agglomerationen haben in den letzten Jahren ihre Hausaufgaben erkannt und abgearbeitet. Sie haben ihre Standortfaktoren verbessert und sind heute in vielen Fällen schlicht und einfach attraktiver geworden. Dies zeigt auch die Bewegung, die sich in der Reihenfolge des Gemeinderating der Firma IAZI aufzeigen lässt. Es hat sich etwas getan. Nun aber zu den Einzelfragen:
Stichwort: Eine schweizweite Entwicklung?
Nein. Die Stadtflucht ist nicht flächendeckend. Betroffen sind die Städte im «Bermuda-Dreieck» Basel-Bern-Zürich, wohingegen Winterthur und die Ostschweiz im Gegentrend sind. In der Romandie verliert Lausanne. Hier hat das Umland von Freiburg mit vielen aus dem Boden spriessenden Eigenheimen einen Sog ausgelöst. Viele Menschen ziehen auch in Regionen, die im Umfeld von Städten angesiedelt sind, und einen urbanen Charakter aufweisen, so zum Beispiel nach Dietikon.
Stichwort: Ist die Politik schuld?
Die SVP meint: Betroffen von der Stadtflucht seien vor allem links-grün dominierte Gemeinwesen. Sie stehen aus ihrer Sicht für hohe Steuern und Abgaben, eine schlechte Sicherheitslage und ein tiefes Bildungsniveau. Allerdings: Wenn die SVP-These stimmen würde, dürfte jedoch zum Beispiel die Stadt Winterthur nicht von Zuwanderung betroffen sein. Sie hat nämlich 4 rot-grüne Mitglieder in der 7köpfigen Exekutive und die SP ist die stärkste Kraft in der Legislative.
Stichwort: Hat der Städteverband eine Gegenstrategie?
Grundsätzlich ist er nicht der Meinung, dass ein erhärteter Trend zur Stadtflucht besteht. Unabhängig von den Entwicklungen aufgrund der Ausnahmesituationen durch die Pandemie verfügt er jedoch ohnehin über einen konstanten Erfahrungsaustausch über eine Kommission, das Zentrum für öffentlichen Raum (ZORA) sowie das Netzwerk «Lebendige Quartiere». Wie Marc Moser, Leiter Kommunikation des Städteverbandes auf Anfrage erläutert, müssen sich die Städte mit veränderten Bedürfnissen in der Bevölkerung oder einem Wandel in der Wirtschaftsstruktur auseinandersetzen. «sie sind aber heterogen und haben unterschiedliche Herausforderungen meistern.» Deshalb hätten sie entsprechend eigene Strategien, um die Lebensqualität für ihre Bewohnerinnen und Bewohner sicherzustellen, bzw. zu erhöhen. «Zentral ist dabei das Leben im Quartier mit kurzen Wegen.»
Fazit: Die tendenzielle Stadtflucht hat sicher mit der Pandemie zu tun, entspricht aber einer Pendelbewegung. Und je nachdem, wie man es anschaut: Was ist eine Stadt und was ist das Land? Städte mit viel Grün mutieren fast in eine Art ländlichen Raum. Periphere Gebiete von Städten sind Gemeinden, die auf dem Land liegen, aber so gut erschlossen und aufgestellt sind dass es fast Städte sind. Deshalb: Wo fängt «Stadt» an, wo hört «Stadt» auf? Darüber nachdenken lohnt sich. Deshalb hier mein Cetero Censeo: «Bildet doch einen einzigen Verband für Gemeinden in der Schweiz!». Es braucht nicht separat einen Gemeindeverband und dann auch noch einen Städteverband. Konkurrenz macht nicht Sinn. Zusammenlegen der Kräfte wäre angesagt und Schaffen einer gemeinsamen Plattform für die kommunale Ebene.
Ihr
Bruno Hofer
16.02.2022