
Raumplanung ist normalerweise nicht etwas, das die Gemüter in Wallung versetzt. Nicht selten klagen Verbände über mangelndes Interesse. Einige lancieren sogar Public Relations Kampagnen, um die Betroffenen zu sensibilisieren für das Thema. Denn Raumplanung ist fundamental wichtig und legt die Grundlagen für die künftige Entwicklung an einem Ort oder einer Region. Ist also eine Schicksalsfunktion.
Wenn jedoch einmal erkannt ist, was konkret hinter einer trockenen Formulierung in der Raumplanung steckt, dann können die Wogen jedoch schon mal hochgehen.
So geschehen im Kanton Thurgau. Das Thema lautet «Kleinsiedlungen». Hierbei handelt es sich um abgesetzt vom Siedlungsgebiet gelegene kleine Weiler. Im landwirtschaftlich geprägten Kanton Thurgau hat es noch immer eine rechte Anzahl davon. Weshalb der Regierungsrat bei der Revision des kantonalen Richtplans eine grosszügige Lösung beschloss, die Umbauten in Kleinsiedlungen möglich machen sollten.
Was beim Bund auf Opposition stiess. Das Bundesamt für Raumentwicklung ARE legte das Veto gegen diesen Teil des Richtplans ein. Die Behörden des Kantons Thurgau spurten, legten striktere Kriterien an und setzten diese um.
Doch dann ging es los: Die Haltung der Regierung rief die Gemeinden auf den Plan. 55 von 80 Kommunen gingen auf die Barrikaden, wie Guido Grütter, damals Gemeindepräsident von Münchwilen und kantonaler Parlamentarier, auf Anfrage berichtet. «Kleinsiedlungen wären faktisch mit einem generellen Bauverbot belegt worden. Im landwirtschaftlichen Thurgau sehr schwierig zu verstehen.»
Was folgte war eine intensive Auseinandersetzung mit dem Thema in der Raumplanungskommission des Grossen Rates des Kantons Thurgau. Heikle Fragen von Entschädigungen waren zu klären. «Es war ein mühsamer Entwicklungsprozess mit vielen Emotionen», berichtet Grütter, der heute seine Politerfahrung als Berater bei der Zürcher Firma Federas zur Verfügung stellt.
Volksvertreter wurden bestürmt. Sie sollten verhindern, dass Ausbauten in Kleinsiedlungen nicht mehr errichtet werden dürften. Oder aber grosszügige Entschädigungen beschliessen. Einige Gemeinden halfen Immobilienbesitzern, indem sie ihnen in Aussicht stellten, Baubewilligungen rasch zu erteilen vor Inkrafttreten der Entschädigungsregelungen.
Jetzt liegt aber die Revisionsvorlage auf dem Tisch, wie EspaceSuisse in ihrem Newsletter vom 07.02.2022 berichtet.
Mehr als die Hälfte aller total 300 Kleinsiedlungen werden in eine Nichbauzone umgezont. Eine gesetzliche Regelung ordnet Entschädigungen. Ob diese standhalten, ist jedoch noch eine offene Frage. Da in der bundesweiten Volksabstimmung vom 03.03.2013 beschlossen wurde, die Zersiedelung zu bremsen, hätten eigentlich bei Weilern gar nie Aufzonungen stattfinden dürfen. Einer Nichteinzonung folgt aber nicht eine Entschädigungspflicht. Wenn die Thurgauer Weiler nun neu beurteilt werden, handelt es sich somit juristisch nicht um eine Rückzonung, sondern um eine Herstellung eines korrekten Zustandes, der zuvor durch illegale Aufzonungen hergestellt worden war.
Der Gesetzesentwurf enthält die klare Bestimmung, dass auf die Entschädigungen kein Rechtsanspruch erhoben werden könne (Art. 1,2). Wenn jedoch dagegen Grundeigentümer Beschwerde einreichen wegen Treu und Glauben, kann die Sache gut und gern noch bis nach Lausanne eskalieren.
Es bleibt also wohl noch Juristenfutter für den Kanton Thurgau übrige.
Ihr
Bruno Hofer
21.02.2022