Kommunalmanagement, 24.09.2022 – Juhu, Cham hat gewonnen. Das neue Gemeinderating ist da. Die Sieger werden bejubelt. Aber was ist mit den Mauerblümchen? Mit den hässlichen Entlein, die alle verloren in einer Ecke schmoren? Das darf nicht sein. Deshalb drehen wir an dieser Stelle mal den Spiess um. Wir stellen nicht jene ins Rampenlicht, die eh schon an der Sonnenseite stehen, sondern wir bringen jene zum Glänzen, die auf der gegenüberliegenden Seite beheimatet sind. Diese Gemeinden am unteren Ende der Skala gehören nämlich auch zur Schweiz. Und es ist keinesfalls so, dass sie alles falsch machen und man deshalb mit dem Finger auf sie zeigen müsste.
Nehmen wir das Gesamtrating. Wer hat hier «gewonnen»? Es ist die Gemeinde Mümliswil-Ramliswil. Mümliswil-Ramiswil ist eine politische Gemeinde im Bezirk Thal des Kantons Solothurn, umfasst 2386 Menschen und liegt im Guldental. Gemeindepräsident ist Kurt Bloch. Die Gemeinde war bereits 2014 auf dem letzten Rang. Bloch nahm damals in den Medien Stellung. Er meinte, man habe einen breiten Rücken und andere Gemeinden in der Region seien auch nicht besser platziert. Dafür habe man ein aktives Vereinsleben.
Doch nun zum Ranking des Wohnens. Hier geht es um das eigentliche Herzstück des Gemeinderatings. Vier Elemente werden einbezogen. Höhe und Veränderung der Immobilienpreise und die Wohnbautätigkeit sowie die Leerwohnungsziffer. Das Ganze trägt zu 56 Prozent zum Gesamtrating bei. Will heissen: Wer beim Wohnen punktet, liegt gesamthaft vorn. Wer hat hier die «Nase vorn»? Es ist die Walliser Gemeinde Anniviers. Anniviers ist eine französischsprachige Munizipalgemeinde im Bezirk Siders des Kantons Wallis. Sie wurde auf den 1. Januar 2009 durch die Fusion aller sechs Munizipalgemeinden des Val d’Anniviers – Ayer, Chandolin, Grimentz, Saint-Jean, Saint-Luc und Vissoie – gegründet. Sie wird von Bürgermeister Simon Epiney geleitet. Flächenmässig ist sie die acht-grösste Gemeinde der Schweiz. Verwaltet wird die Gemeinde von Vissoie aus. Das Val d’Anniviers ist berühmt für seine wundervollen Wanderungen durch die Alpen. Wenn man sich mit dieser Gemeinde beschäftigt, erhält man den Eindruck, das Thema Wohnen spiele hier irgendwie keine Rolle. Weitere Spitzenplätze erreichten bekannte Namen wie Diemtigen, Werthenstein und Surses (GR).
Wenden wir uns nun aber dem Arbeiten zu. Hierbei geht es um die Arbeitslosigkeit und ihre Entwicklung, den Anteil der Jobs im dritten Sektor sowie um die Neugründungen. In diesem Bereich Arbeitsmarkt quasi den Vogel von hinten abgeschossen hat die Gemeinde Courgenay im Jura. Bekannt ist die Commune seit dem Schweizer Film von Franz Schnyder «Gilberte de Courgenay». Weitere Spitzenplätze erreichten bekannte Namen wie Birr, Reconvilier und Untersiggenthal.
Wir kommen nun zur Bevölkerungsentwicklung. Hierbei wird eruiert, ob die Gemeinde über ein Wachstum verfügt, wenige Sozialhilfeempfangende aufweist, einen hohen Jugendquotient hat und hohe Steuererträge pro Kopf. Hier schneidet Renens im Waadtland am schlechtesten ab. Die Gemeinde liegt unmittelbar in der Umgebung von Lausanne und hat rund 20’000 Einwohnerinnen und Einwohner. Die Ville de Renens besticht ansonsten durch ihre Lage nahe am Genfersee. Auf den weiteren Plätzen liegen die Gemeinden Chiasso, Signau und Münster (BE).
Kommen wir zur Steuerbelastung zu. Hierbei geht es um die Frage, wie hoch der Steuerfuss für die Einwohnerinnen und Einwohner ist. Sozusagen ein Messkriterium für die Steuerhöllen der Schweiz. Hier ist Val-de-Travers federführend. Die Gemeinde im Kanton Neuenburg entstand aus der Fusion von neun Gemeinden im Jahre 2009. Sie ist bekannt für touristische Ausflugsziele. Auf den Rängen folgen La Chaux-de-Fonds, Valbirse und Boudry.
Bei der Frage der Erreichbarkeit steht die Frage im Zentrum, wie lange man hat mit Privatauto oder OeV, um ins nächste Zentrum oder zu einer Grossstadt zu gelangen. Hier liegt Poschiavo vorn. Nicht ganz unerwartet. Die Gemeinde liegt im südlichen Teil des Kantons Graubünden und gehört zur italienischen Schweiz. Auf den Rängen folgen Disentis, Anniviers (dieser Gemeinde sind wir schon mal begegnet!) sowie Lenk im Berner Oberland. Oft abgelegene Ort, die jedoch berühmt sind für ihre touristische Vorzüge.
Der nächste Aspekt ist die Versorgungslage. Hier geht es nicht nur darum, ob ein Lebensmittelgeschäft im Dorf anzutreffen ist, sondern um weit mehr. Eingeschlossen sind auch die kulturellen Angebote. Hier hat die Gemeinde Noble-Contrée die inverse Trophäe abgeholt. Die Gemeinde Noble-Contrée liegt in der Nähe von Crans Montana im Wallis umfasst rund 4500 Menschen und ist aus einer Fusion von drei Gemeinden im Jahre 2020 hervorgegangen. Auf den Plätzen folgen Berneck im Kanton St. Gallen, Hauterive im Kanton Freiburg sowie Dällikon im Kanton Zürich.
Beim Thema Sicherheit wird die Frage beantwortet, wo es wie viele Vergehen gegen Bestimmungen des Straf- Betäubungsmittel- und Ausländergesetzes hat. Hier wird also nur statistisch gezählt und ausgewertet. Im ersten Rang von hinten betrachtet liegt hier die Seegemeinde Biel im Kanton Bern. Das Zentrum der Uhrenindustrie am Bielersee ist mit seinen rund 55’000 Menschen die zehntgrösste Stadt der Schweiz. Hier folgen auf den Rängen Basel, Nidau, Lausanne und Riehen.
Neu im Gemeinderating und erst zum zweiten Mal abgefragt wurde das Thema Oekologie. Dabei geht es um Themen wie Energielabel, CO2-Emissionen pro Quadratmeter, Anzahl erneuerbarer Elektrizitätsproduktionsanlagen pro 100 Menschen, die Wohnfläche pro Einwohner, Bodenversiegelung, Grünraum und die Anzahl von Hektaren an offenen Gewässern. Hier liegt – auch wieder von hinten betrachtet – die Gemeinde Vandoeuvres vorn. Die Gemeinde liegt am Genfersee und gilt als eine reiche Vorortgemeinde der Hauptstadt von République et Canton de Geneve. Auf den folgenden Plätzen finden wir Balerna, Langendorf und Rheineck.
Wir sind nun wirklich am Ende des Gemeinderatings angelangt. Wir haben alle Gemeinden aufgezählt, die am Ende der Tabelle aufgeführt sind. Doch eines gilt es noch zu beachten. Dem Rating zugrunde liegen nackte Zahlen. Es sind keine qualitativen Aussagen zum Thema der effektiven Wohnqualität. Viele Menschen beziehen Dienstleistungen nicht am Wohnort, sie suchen sie dort auch gar nicht. Zudem gilt es noch eine zweite Bemerkung beizufügen: Das Rating des Wohnens operiert aus der Optik von Investoren der Immobilienbranche. Die Rangierung ist gut, wenn die Preise steigen. Für die Konsumentenschaft kann dies gut und gern ganz anders gelesen werden. Für sie ist eine Gemeinde unter Umständen sehr viel attraktiver, die nicht an erster Stelle des Rankings steht. Weil man sich dann dort noch eine Wohnung oder gar ein Häuschen leisten kann.