
Klingt das zu krass? Ich denke nicht. Was ich im Frühling postulierte, ist akuter geworden. Was mit dem Jagd-Gesetz (27.09.2020) begann, ist nun mit dem CO2-Gesetz offensichtlich: Stadt und Land bekriegen sich. Die Schlagzeilen in den Zeitungsausgaben vom 14.06.2021 sprechen eine deutliche Sprache: «Die Rache der Landschweiz», «Landbevölkerung bodigt CO2-Gesetz», «Klarer Stadt-Land-Graben.» Auch Politologe Michael Hermann von der Forschungsstelle Sotomo spricht davon, dass der Stadt-Land-Graben zum dominantesten Graben im Land werde und den Röstigraben ablöse.
Und das ist schlecht für Lösungen. Die Klimafrage wäre nicht gescheitert, hätte man die Anliegen der Regionen genauso ernst genommen wie jene der Städte. Eine ausgewogene Vorlage hätte es wohl geschafft. Das Thema bleibt virulent und dringlich.
Eine Mitschuld an diesem neuen helvetischen Malaise (Max Imboden) trägt der Städteverband. Seine laute Stimme, seine knalligen Positionsbezüge in der letzten Zeit – manchmal auch konträr zum zweiten Verband der kommunalen Ebene, dem Schweizerischen Gemeindeverband, sind Traxarbeiten im Graben der Zerissenheit zwischen Stadt und Land. Statt dass die dritte Ebene neben Bund und Kantonen mit einer Stimme spräche und auf Ausgleich pocht, wird auf Konfrontation gefahren. So versteht sich der Städteverband explizit auch gemäss gewisser seiner Exponenten ganz klar als Konkurrenz zum Gemeindeverband.
Ich bleibe deshalb dabei. Der Städteverband gehört abgeschafft. Es braucht ihn nicht. Seine komplett berechtigten Anliegen können im Schoss des Schweizerischen Gemeindeverbandes im Rahmen einer Subgruppe problemlos koordiniert werden. Viele Mitglieder im Städteverband (über 100) sind bereits auch noch Mitglied im Schweizerischen Gemeindeverband.
Noch mehr (über 600 Gemeinden) sind aber überhaupt nicht organisiert und das ist stossend. Aber auch vielsagend. Die heutigen Verbände schaffen es offenbar nicht, einen besseren Organisationsgrad hinzukriegen. Das wäre aber sehr wichtig! Denn die dritte Ebene in der Schweiz, das Kommunale, braucht eine starke Stimme gegenüber Bund und Kantonen. Die sich zunehmend verstärkende Autoritarisierung der städtischen Ebene als neue, sozusagen als vierte Ebene, führt politisch einfach nicht zum Ziel. Das Land wird sich sein Sagen nicht nehmen lassen, sondern aus Prinzip vieles ablehnen, was die Städte wollen. Der anti-Züri-Reflex ist nur ein Vorgeschmack dafür.
Nehmen wir das Beispiel der Kinderbetreuung: Hier forderte der Städteverband im Frühling die Schaffung eines Artikels in der Bundesverfassung. Der Gemeindeverband opponierte vehement. In keiner Art und Weise sei so etwas notwendig, hiess es postwendend. Solche divergierenden Stellungsbezüge reissen den Stadt-Land-Graben einfach immer weiter auf.
Es muss ja nicht unbedingt so sein, dass der Städteverband vom Gemeindeverband aufgesogen wird. Dieser hat auch seine Defizite. Er wirkt manchmal schwerfällig, teilweise etwas beliebig und nicht selten an den echten Wünschen der Gemeinden (zum Beispiel Autonomie) vorbei. Die hohe Zahl der Aussenstehenden zeugt von diesen Defiziten.
Man kann sich auch an einen Tisch setzen und etwas Neues formen: warum nicht einen Kommunalverband? Dieser Begriff würde zeigen, worum es geht: Um eine starke Stimme für alle Subjekte auf der kommunalen Ebene.
Es ist dies jetzt die Stunde (um ein Zitat von alt-Kanzler Helmuth Kohl abzuwandeln) für den Städteverband, seine historische Pflicht, Chance und Aufgabe, einen Schritt hin auf die Versöhnung der kommunalen Ebene zu tun.
Will er das nicht, oder mag er trotz offenem Fenster im Personalbereich noch nicht über seinen Schatten springen, so soll er sich wenigstens publizistisch zurücknehmen oder zumindest seine öffentlichen Stellungsbezüge (vgl. Kinderbetreuung) vorgängig mit seinem Schwesterverband, dem Schweizerischen Gemeindeverband, klären, absprechen und koordinieren.
Sonst muss er sich weiterhin den Vorwurf gefallen lassen, mitschuldig zu sein am sich vertiefenden Stadt-Land-Graben in der Schweiz und damit am neuen helvetischen Malaise.
Ihr Bruno Hofer
23.06.2021