146 von 246 Parlamentariern im neuen Bundesparlament bringen Erfahrung auf Stufe kommunale Ebene mit. Das sind 60 Prozent von allen. So eine Übersicht des Schweizerischen Gemeindeverbandes. Im Gespräch erläutert deren Direktor, Christoph Niederberger, die Hintergründe.

Kommunalmanagement: Herr Niederberger, Sie bezeichnen die Parlamentarier mit dem kommunalen Hintergrund als die grösste «Fraktion». Wie kommen Sie auf diesen Begriff? Ist er nicht für politische Parteien reserviert?

Christoph Niederberger: Es ist ein bewusst gewählter Begriff, auch wenn er offiziell nicht ganz richtig ist. Es wäre aber schön, zu denken, dass die ganze kommunale Gemeinschaft im Bundeshaus eine einzige Fraktion bilden würde.

Kommunalmanagement: Gibt es denn auch eigentliche parlamentarische Gruppen, die sich mit kommunalen Themen befassen?

Christoph Niederberger: Es gibt die «Parlamentarische Gruppe Kommunalpolitik», die wir zusammen mit dem Schweizerischen Städteverband organisatorisch betreuen und in deren Rahmen jährlich zwei Sessionsveranstaltungen stattfinden.

Kommunalmanagement: Kann man denn von gemeinsamen Anliegen der Gemeinden reden? Der Bund legiferiert ja zuhanden der Kantone. Und diese wiederum sind die Kontakte für die Gemeinden.

Christoph Niederberger: Nicht ganz. Es gibt durchaus Bereiche, wo der Bund direkt die Rahmenbedingungen für Gemeinden setzt. So zum Beispiel beim Zweitwohnungsgesetz. Zudem gibt es Gremien, wo Bund, Kantone und Gemeinden eng zusammenarbeiten, beispielsweise bei der Digitalen Verwaltung Schweiz. Der Bund hat zudem, gemäss Art. 50 der Bundesverfassung  «die möglichen Auswirkungen auf die Gemeinden» zu beachten.

Kommunalmanagement: Wie kommt die Liste der Gemeindevertreter zustande? Umfasst diese Zahl auch Mitglieder in Gemeindeparlamenten oder nur Exponenten der Exekutive?

Christoph Niederberger: Wir haben die Parameter so gesetzt, dass Exekutive und Legislative einbezogen sind. Im Gegensatz zu früheren Auswertungen zählen wir den Einsitz in eine kommunale Kommission nicht mehr, um in die Statistik einbezogen zu werden. Ansonsten wären es noch viel mehr.

Kommunalmanagement: Nun sind es also 60 Prozent aller Gewählten, die über Erfahrung auf kommunaler Ebene verfügen. Ist das aus Ihrer Sicht viel oder wenig?

Christoph Niederberger: Ja, ich finde es eine beachtliche Zahl. Sie ist letztlich ein Abbild davon, dass die Gemeinden als dritte Staatsebene eine wichtige Rolle im politischen System wahrnehmen. Zudem bilden sie oft den Start in eine politische Karriere.

Kommunalmanagement: In einem Interview zum Thema äussert Politologe Adrian Vatter die Auffassung, das Ergebnis zeige, dass die Ochsentour immer noch wichtig sei, um politisch ganz oben anzukommen. Viele bleiben jedoch auch dann auf der kommunalen Ebene engagiert, wenn sie gewählt sind. Ist das nicht eine unerwünschte Machtkumulation? In gewissen Kantonen ist es mittlerweile mindestens verpönt, dass ihre Regierungsräte auch Mitglied im Bundesparlament sind.

Christoph Niederberger: Ein Amt auf Bundesebene schliesst ein gleichzeitiges Kommunalamt sicher nicht aus. Gerade in kleineren Gemeinden beträgt das Pensum für ein Exekutivamt oftmals um die 50 Prozent – oder auch weniger. Solch ein Pensum ist mit einem Mandat auf nationaler Ebene sicher gut vereinbar. Dass immer noch 40 von 246 Parlamentarierinnen und Parlamentarier (16 Prozent) aktuell auf kommunaler Ebene aktiv sind, zeigt auch, dass es grundsätzlich möglich ist, beide Ämter zu bekleiden.

Kommunalmanagement: Planen Sie, die Analyse von nun an jedes Mal durchzuführen?

Christoph Niederberger: Davon gehen wir aus.

Kommunalmanagement: Vielen Dank für dieses Gespräch.

 

Christoph Niederberger verlässt seinen Posten Mitte nächsten Jahres und wendet sich einer neuen Herausforderung zu.