Riniken, 04.06.2024 – Eine Flut 1994 zerstörte vieles. Zahlreiche Unterlagen des Ortsarchivs der Gemeinde Inwil im Luzernischen Rontal wurden ein Raub des Wassers. Ein Neustart war nötig. Heute sind – gemäss Aussagen von Dominik Ulrich, Gemeindeammann von Inwil, die Unterlagen «an einem vor Elementar-Ereignissen gut geschützten und sicheren Ort» aufbewahrt.

 

Szenenwechsel: Eine Fusion drohte die Vergangenheit von Turgi zunichte zu machen. Ein digitaler Aufschrei ging durchs Dorf. Der Abschied von der Selbständigkeit rief nach einer Dokumentation im Internet. Menschen wurden eingeladen, Ihre Turgi-Erinnerungen beizusteuern.

 

Die Stadt Wetzikon – das Herz im Zürcher Oberland – hat nicht auf eine Fusion oder eine Flut gewartet. Bereits in den 70er Jahren wurde eine Dorfchronik aus der Taufe gehoben. Hedi Lang war dabei. Die spätere Regierungsrätin und Präsidentin des Nationalrats hatte einen wesentlichen Anteil daran, dass Wetzikon eine Dorfchronik mit System erhielt.

 

Mittlerweile lief die Chronik durch viele Hände und heute ist es eine Internet-Plattform. Und läuft auf derselben Sorte von Software wie das «richtige» Wikipedia. Wie kam es dazu und wie funktioniert es heute? Und was können andere Gemeinden davon lernen? Gespräch mit Irene Tobler, zuständig für Wetzipedia.

 

Im Jahre 2010 wurde der Link Wetzipedia registriert. Das war der Startschuss. Online ging Wetzipedia im März 2010. Genutzt wurde die Software MediaWiki, die auch Wikipedia zugrunde liegt. Irene Tobler ist von Anbeginn dabei und schildert die Entwicklung. Gesammelt würden Dokumente, Fotos Audio- und auch Videodateien. «So langsam kommt es ins Rollen, dass Vereine ihre Chronik selber schreiben und auf der Vereinswebsite dann auf wetzipedia.ch verlinken, berichtet Irene Tobler.» Autoren sind willkommen. Wer sich einen Zugang holt, ist berechtigt, Inhalte hochzuladen.

 

Das Wetzipedia hat im Nachbardorf Hinwil bereits einen Nachahmer gefunden. Mark Plüss, für das Ortsmuseum zuständig, gibt zu Protokoll, er sei bei «Irene Tobler in die Lehre gegangen». Jetzt soll bis 2025 ein Hinwilpedia entstehen.

 

Aber warum nutzen Gemeinden nicht einfach das ofizielle Wikipedia, um ihre Geschichte zu dokumentieren? Plüss meint, man wolle unabhängig sein. Wikipedia sei strikt und auch etwas kompliziert. «Wir wollen nicht ständig jemanden um Erlaubnis fragen, wenn wir etwas publizieren möchten.»

 

Für das Wetzipedia wird nächstes Jahr eine Veränderung stattfinden. Irene Tobler geht in Pension. Noch ist nicht ganz geregelt, wie es weitergeht. Für Pascal Bassu, Stadtpräsident von Wetzikon ist jedoch klar: «Wetzipedia ist das unverzichtbare Vermittlungsinstrument für die Geschichte von Wetzikon. Selbstverständlich wird das weitergeführt.» Wie die Nachfolgelösung aussieht, wird zurzeit noch ermittelt.

 

Zu hoffen bleibt, dass das in Minne geschieht und nicht wie in Wagenhausen im Kanton Thurgau. Aus Anlass des 30-jährigen Bestehens der politischen Gemeinde Wagenhausen sollte 2025 eine Dorfchronik erscheinen. Ein Historiker wurde mit der Aufgabe betraut. Ein anfänglich gesprochener Beitrag von CHF 30’000.- erwies sich jedoch als zu gering um alle Wünsche, die an den Dienstleister herangetragen wurden, zu erfüllen. Die Gemeindeversammlung lehnte einen Nachtragskredit ab, der die zusätzlich aufgelaufenen Kosten von 40’000.- beinhalteten sowie Druckkosten von CHF 40’000.-. Die Broschüre wäre in den Verkauf gelangt zu CHF 10.- pro Stück.

 

Täglich werden weltweit etwa 328,77 Millionen Terabyte an neuen Daten ins Internet gestellt, rund 333,22 Milliarden E-Mails versendet und es finden rund 8,5 Milliarden Suchanfragen gestellt. Der Hunger nach Daten ist schier unstillbar. Auch Gemeinden müssen Wege finden, diesen Wust zu bewältigen und qualitativ hochstehend zu verarbeiten.