Ennetbaden, 09.03.2025 – Immer dann, wenn ich mir die Zeit nehme, um am ERFA-Austausch von Myni Gmeind teilzunehmen, lerne ich etwas Neues. Alexander Sollberger, der Präsident des Vereins, bringt immer wieder interessante Leute aus der Praxis zusammen. Im Februar ging es um Digitalisierungsstrategien in Gemeinden. Aber braucht es das wirklich?
Ja, Gemeinden benötigen eine Strategie für ihre digitale Transformation. Diese Botschaft stand im Zentrum des ERFA-Austauschs von MyniGmeind am 20.02.2025. Experten verschiedener Fachrichtungen und erfahrene Anwender führten den Erfahrungsaustausch. Einer der Referenten war Curdin Derungs von der Fachhochschule Graubünden.
Gemäss einer Umfrage des Vereins Myni Gmeind betrachten ja 75 Prozent aller Schweizer Gemeinden die Digitalisierung als Chance. Dennoch verfügen nur 22 Prozent von ihnen über eine übergreifende Digitalisierungsstrategie. Derungs will – auch mit Hilfe seines neuen Buches «Strategien in Gemeinden» – diese Lücke schliessen. Deshalb habe ich ihm dazu fünf Fragen gestellt.
Herr Derungs, Sie haben ein Playbook herausgegeben. Sind Sie ein Spieler? Gehen Sie oft ins Casino oder nehmen Sie an Spielnachmittagen teil?
Curdin Derungs: Ich bin in der Tat ein Spieler. Ich bin Hockeyspieler. Mannschaftsspielen besteht darin, dass die Spielzüge gewissen Mustern folgen. Diese trainiert man ein im Team und übt sie immer wieder. Damit sie dann an den Spielen zu Torerfolgen führen. Diese Methode sagt mir zu. Entsprechend macht das auch mein Buch. Es arbeitet mit Mustern. Diese kann man beiziehen und dann situativ auf bestimmte Gegebenheiten anpassen.
In ihrem Buch gibt es aus meiner Sicht nicht wirklich ganz völlig neue Konzepte. Aber es ist wie beim Turnunterricht: Es geht zwar immer um die körperliche Ertüchtigung, aber es macht einfach mehr Spass, wenn man jede Turnstunde etwas anders organisiert. Ist das auch Ihr Thema?
Curdin Derungs: Ja. Meine Ausgangslage war die übliche Vorgehensweise bei Gemeindestrategien. Hier denken die Gremien meisten in Jahresrhythmen. Sie veranstalten einmal jährlich eine Klausursitzung und gehen ihre Strategie durch. Dann kommt das Ganze wieder in die Schublade und man widmet sich wieder dem Alltag. Nach einem Jahr stellt man dann fest, dass sich kaum etwas geändert hat. Hier möchte ich das Muster durchbrechen. Anstatt einmal im Jahr sechs Stunden zu reservieren, schlage ich einen Ansatz vor, der dreimal je zwei Stunden einsetzt. Wird eine Strategie in verdaubare Teilpakete gepackt bleibt man immer im Gestaltungsmodus. Das beeinflusst auch den Alltag positiv.
Sie haben die Strategie-Landkarte entwickelt als neuen Ansatz. Diesen erachte ich als erfrischend anders. Zwar unübersichtlich auf den ersten Blick. Aber jeder der irgendwo hin will erkennt darin die Zusammenhänge. War das ein bewusst gewählter Ansatz oder hat sich der einfach so ergeben?
Curdin Derungs: Er entstand nach der Lektüre von zahlreichen Strategiebüchern. Ich habe universale Muster gesucht. In verschiedenen Bereichen, im militärisch-taktischen Umfeld, bei Unternehmen oder auch bei Fragen des Zusammenlebens. Ich habe Themen gesucht. Am Anfang war es noch ein wildes Muster, es sah fast aus wie ein Ameisenhaufen. Ich versuchte dann, eine gewisse Ordnung hineinzubringen. So entstand zuerst eine ehe geometrische Form. Mit der Zeit folgte dann noch mehr Struktur und etwas Kreativität. Ich stellte eine Wechselwirkung bei den Themen fest. Und so entstand am Ende eine Darstellung, die an einen Plan der U-Bahn von London erinnert.
Kommen wir zu MyniGmeind. Dieser Verein will Gemeinden helfen, ins IT-Zeitalter zu gelangen. Sie haben dort am 20.02. einen Vortrag gehalten. Was waren die Echos dazu?
Curdin Derungs: Ich durfte ein gutes positives Feedback erleben, das mich gefreut hat. Rückmeldungen trafen auch via die Sozialen Medien ein. Ich denke das Thema ist bei den Gemeinden in der Schweiz angekommen.
In ihrem Vortrag legen Sie – bewusst zielgruppenorientiert – den Fokus auf die Digitalisierungsstrategie. Was ist gegenüber allgemeinen Strategien für Gemeinden, wie sie in ihrem Buch enthalten sind, hier besonders zu beachten?
Curdin Derungs: Das Buch ist auf verschiedenen Ebenen anwendbar. Schule, Werkhof, oder auch andere Bereiche. Es sind jeweils immer spezifische Eigenheiten zu beachten. Oft sind schon Strategien von Umsetzungen vorhanden. Und nicht selten heisst es: Ein anderer Ansatz wäre zwar schön, ist bei uns aber gerade nicht umsetzbar. Die Herausforderung besteht oft auch gerade darin, den richtigen Zeitpunkt für einen Einbezug zu «erwischen». Grundsätzlich gilt: Je früher, desto besser.
Vielen Dank für dieses Gespräch.
Curdin Derungs (1979) ist stv. Leiter am Zentrum für Verwaltungsmanagement der Fachhochschule Graubünden in Chur. Er lehrt und publiziert zu den Themen Public Management, Strategie und Organisation öffentlicher Institutionen sowie Partizipation in Gemeinden.