
4. Juli 2025. – Sie kommt aus dem Bezirk Werdenberg mit dem gleichnamigen Städtli, einem der malerischsten und kleinsten der Schweiz oder gar der Welt. Und jetzt leitet sie jenen Verband, der sämtliche Städte in der Schweiz vereinigt: Monika Litscher. Sie wurde am 9. Dezember 2024 vom Vorstand gewählt und ist nun seit Anfang März im Amt. Ein Einblick nach den ersten Monaten ihrer Tätigkeit.
Frau Litscher, wie geht es dem Schweizerischen Städteverband?
Monika Litscher: Dem Verband geht es so gut, wie es den Städten geht. Sie wachsen und erbringen Leistungen. Menschen leben, wirtschaften und verbringen ihre Freizeit in der Stadt.
Haben Sie das Gefühl, die ganze Schweiz sei schon fast eine Stadt geworden?
Die Schweiz ist vieles. Die Schweiz ist auch Stadt. Wir wissen: Die Bevölkerung lebt zunehmend im urbanen Raum. Die zentrale Wirtschaftsleistung wird im urbanen Raum erbracht. Gleichzeitig haben wir die Peripherie, die genauso zur Schweiz gehört. Stadt bedeutet Vielfalt. Entgegen einfachen Narrativen müssen wir diese Vielfalt betonen – sowohl Stadt als auch Land sind vielfältig. Städte befinden sich zudem im ständigen Wandel. Wer die Stadtentwicklung und jene der Agglomerationen betrachtet, erkennt, wie gut dieser Wandel gelingen kann. So verändert sich auch das stereotype Bild von «Stadt» in unseren Köpfen.
Worin sehen Sie konkret die Rolle des Städteverbandes in diesem Umfeld?
Der Städteverband hat ein Doppelmandat. Einerseits vertritt er die Interessen der urbanen Schweiz – also der Städte und Agglomerationen – gegenüber dem Bund, den kantonalen Konferenzen und der Öffentlichkeit. Andererseits hat er eine Netzwerkfunktion: Wir erbringen Dienstleistungen für die Städte, erarbeiten Grundlagen. Wir haben zahlreiche Sektionen, Arbeitsgruppen und Kommissionen und arbeiten immer mit und für die Städte.
Wie könnte man Städte noch fussgängerfreundlicher machen?
Städte müssen menschenfreundlich sein. Der Mensch muss im Zentrum stehen. Es soll ihm gut gehen – damit auch soziale Ziele erreicht werden. Ältere Menschen sollen gute Fusswege zum Einkaufen haben, sich bei Hitze in den Schatten setzen können und so weiter. Je menschenfreundlicher eine Stadt ist, desto fussgängerfreundlicher ist sie auch.
Wie könnte man dafür sorgen, dass in Städten mehr Wohnraum entsteht, der auch bezahlbar ist?
Eine grosse Frage. Spannend ist: Schon vor hundert Jahren wurde sie diskutiert. Erschwingliches Wohnen war immer ein Thema. Der Städteverband hat vor etwa drei Jahren eine Umfrage zu den wohnpolitischen Bedürfnissen durchgeführt. Städte sind wohnpolitische Akteurinnen, dabei setzen sie aber auch den Rahmen für jene, die Wohnraum schaffen.
Gibt es eine zentrale Forderung daraus?
Ja: Städte wollen ein Vorkaufsrecht, weil der Boden der Schlüssel ist. Das gäbe ihnen deutlich mehr Gestaltungsspielraum.
Hört der Bund auf die Städte, wenn sie Anliegen haben?
Wir haben ein gutes Verhältnis zum Bund. Wir sind ständiger Vernehmlassungspartner. Gemäss Artikel 50 der Bundesverfassung von 1999 muss der Bund die Situation der Städte und Agglomerationen berücksichtigen. Natürlich gibt es immer Luft nach oben. Wenn ein Vorstoss gegen den Willen der Städte im Parlament angenommen wird und wir betroffen sind, möchten wir mindestens bei der Umsetzung einbezogen werden.
Sie meinen Tempo 30?
Heute gilt Tempo 50 als Regel, Tempo 30 als Ausnahme. Wir möchten das umkehren. Die Städte sollen entscheiden können. Strassenraum ist Stadtraum. Die Lebensqualität muss im Vordergrund stehen. Wenn sich Autos langsamer bewegen, entsteht mehr Platz fürs Velofahren, für Fussgängerinnen und Fussgänger, für Bäume, Bänke und Orte zum Verweilen. Das macht Städte attraktiver – und die Emissionen, insbesondere der Lärm, nehmen ab.
Wo stehen Sie eigentlich politisch?
Ich bin urban.
Und was heisst das politisch? Städte gelten doch als mehrheitlich links-grün.
Ich bin nicht Mitglied einer Partei. Und übrigens: Es gibt viele Städte, die bürgerlich regiert werden – denken Sie an Basel oder Winterthur. Mir geht es um eine urbane Politik, die für die Menschen da ist. Städte sind vielfältig – genauso vielfältig können auch Lösungen sein. Und genau diese Offenheit lebe ich.
Vielen Dank für das Gespräch.
Monika Litscher beschäftigt sich seit 25 Jahren mit urbanen Transformationsprozessen, vor allem mit sozialräumlichen, planerischen und kulturellen Herausforderungen und der politischen Umsetzung. Sie hat Ethnologie, Kulturwissenschaften und Völkerrecht an der Uni Zürich und Brüssel studiert, erlangte mit einer Stadtforschung ihre Promotion, parallel hat sie an der Hochschule Luzern geforscht und gelehrt und eine Laufbahn bis zur Professorin öffentliche Räume und Stadtkultur absolviert. Später hat sie die Geschäftsleitung des Fachverbands Fussververkehr Schweiz übernommen, ehe sie als Vizedirektorin im Winter 2022 beim Städteverband eingestiegen ist. Seit März 2025 verantwortet sie den Verband als Direktorin.