Die Zukunft der Lokalzeitung
Gemeinden und Verlage sitzen im gleichen Boot: Beide haben keine Freude, wenn der Lokaljournalismus in die Krise gerät. Verlage verlieren Geld und Gemeinden verlieren Plattformen für den demokratischen Dialog. Der Verband Schweizer Medien präsentierte deshalb neue Ideen.
Zürich, 10.06.2025 – Wie Gemeinden mit dem Wandel umgehen können, dazu werde ich am 10. September 2025 einen Anlass durchführen. Was hingegen Verlage heute schon tun, um der Entwicklung zu steuern, das erfuhr ich am Anlass, den das Medieninstitut des Verbandes Schweizer Medien am 10.06.2025 im Hotel Marriott in Zürich durchführte. Im Gespräch mit diesem Newsletter erläutert Andrea Masüger, Präsident des Verlegerverbandes Schweizer Medien, Ziel und Zweck der Veranstaltung: «Lokaljournalismus ist unverzichtbar, stellt er doch den Kitt dar, mit dem unsere Demokratie funktioniert, bis in die Kapillaren der Gesellschaft hinaus. Er ist präsent in den Haushalten und wird am Küchentisch verhandelt. Wir wollen neue Ansätze aufzeigen um deren Erhalt zu unterstützen.»
Vor allem für die jüngere Generation zeigen Studien veränderte Nutzungsgewohnheiten. Im Vordergrund stehen für sie nicht mehr reine «Nachrichten», sondern «Bedürfnisse», als da sind «Unterhaltung», «Hilfestellung im Alltag», «Inspiration» und «Vernetzungswünsche». Erfüllt werden diese Anliegen in Kanälen der Social Media. Weshalb sich denn auch deren tägliche Nutzungsdauer seit 2012 auf 2,5 Stunden verdoppelt hat. Meinolf Ellers – ein Pionier digitaler Medieninnovationen – meint: Der frühere journalistische Ansatz der Berichterstattung über Ereignisse muss hinterfragt werden. Und damit auch das Selbstverständnis lokaler Medien. Meinolf Ellers sieht heute Verlage nicht mehr als Produzente von les-, hör- oder sehrbarer Inhalte, sondern als eine «Funktion». Verlage sollen funktionierende Dialoge schaffen, Menschen zusammenzubringen, den Austausch fördern und Dinge besser machen. «Das Ziel ist es, möglichst viele Personen, Positionen und Perspektiven einzubinden, um in einem transparenten Moderationsprozess Lösungen und Kompromisse möglich zu machen.»
Vor diesem Hintergrund hat die Surseer Woche AG einen Leser-/innenrat eingeführt. Dies auf Anraten ihrer Verwaltungsratspräsidentin Sylvia von Matt Egli, die früher Leiterin des Medienausbildungszentrum MAZ war. Sie folgte einem Beispiel der Berliner Morgenpost. Ein Aufruf in den angeschlossenen Zeitungen (SurseerWoche, TriengerWoche, SempacherWoche) leitete das Projekt ein. Wer mitmachen wollte, konnte sich bewerben. Am Schluss konnte mit einer Gruppe von 18 Personen gestartet werden. Zwei Sitzungen im Jahr sind vorgesehen, ergänzt durch sporadische Umfragen, deren Beantwortung «zeitnah» erfolgen solle. (Silvia von Matt Egli ist übrigens der Meinung, statt Ruheräumen in SBB-Waggons sollten «Gesprächswagen» eingeführt werden, was ich auch noch interessant finde.)
Um die Bevölkerung einzubeziehen, schlägt Ellers Community-Managers vor, wie sie in Santa Cruz in den USA unterwegs sind. Die Plattform Lookout versteht sich nämlich als ein völlig neues Netzwerk einer rein digitalen, redaktionell starken und lokal fokussierten Medienplattform, wo nachrichten- und gemeindeorientierte Inhalte sowie Ressourcen angeboten werden. Die Seiten des Lookout-Netzwerks dienen in Gemeinden, in denen solche Angebote stark zurückgegangen oder ganz verschwunden sind. Die Community-Managers sind im Publikum unterwegs, eruieren in Gesprächen Themen und bringen diese dann auf die Redaktion, wo sie weiter umgesetzt werden. «Die Zeiten», so Ellers «wo Redaktionen und Druckmaschinen ausserhalb der Zentren im Grünen gebaut und betrieben wurden, sollten vorbei sein.»
Die Veranstaltung war sehr gehaltvoll. So zeigte ein Liechtensteiner Verlag ein Modell, das redaktionelle Inhalte via KI automatisch in eine Sprache übersetzt, die von Jugendlichen vor Ort gesprochen wird. Damit soll deren Tendenz, «normalen» Nachrichten aus der «bösen Welt» bewusst auszuweichen, gesteuert werden.
Gezeigt wurde auch ein Beispiel einer Versicherungsfirma, die Marketing für einen Standort betreibt und damit einerseits der Gemeinde beim Branding hilft und anderseits die Jugend zum Mitmachen anregt.
Gemeindeverantwortliche sind gut beraten, das Gespräch mit den Verlagen zu führen zum beiderseitigen Nutzen.