Für Bernd Scholl ist die neue Raumplanung, wie sie am 03.03.2013 in der Volksabstimmung gutgeheissen wurde, eine eindeutige Erfolgsgeschichte. «Das Ausland beneidet uns dafür,» urteilt er im Gespräch mit Kommunalmanagement. Der emeritierte Professor für Raumplanung der ETH Zürich hat das Werden der Gesetzesvorlage hautnah erlebt. Das «Ja» war für ihn aber keine Überraschung. «Man wollte das weitere Ausufern der Besiedlung in die Landschaft unterbinden.» Kernpunkt der Vorlage: Zersiedelung bremsen, Landverschleiss eindämmen, Bauzonen einfrieren. Eine solche gesetzliche Grundlage schaffte keines unserer Nachbarländer. Alle Kantone mussten seither ihre kantonalen Richtpläne an die neuen Vorgaben anpassen.

Heute, zehn Jahre später, sei der Zeitpunkt erreicht, an dem der Bundesrat eine externe Expertenrunde einsetzen könnte, um eine Standortbestimmung vorzunehmen, meint Scholl. Man sollte klären, ob das Gesetz sein Ziel erreicht habe. Zudem sei der Vollzug zu untersuchen sowie auch deren Instrumente. Könnte es Verbesserungen geben? Wie gross sind die Reserven aktuell wirklich? Liegen sie am richtigen Ort? Ist die aktuelle Gesetzesgrundlage ausreichend, um die neuen Herausforderungen wie Klimawandel oder Digitalisierung zu bewältigen?

Sicher habe die Neuregelung ganz neue Denkprozesse auch auf Gemeindeebene in Gang gesetzt, urteilt Scholl. «Viele Gemeinden mussten sich eine neue Denkhaltung angewöhnen. Die von der Stimmbevölkerung gewollte Verknappung der nicht vermehrbaren Ressource Boden machte da und dort erfinderisch.» So hätten sich einige Exekutiven auch über die geforderten Richtplananpassungen hinaus auf das Feld informeller Raumplanung eingelassen mit über den Tag hinausgehenden Fragestellungen und zur gesamtheitlichen Zukunftsentwicklung des Lebensraumes.

Offen bleibt die Frage, ob das faktische Verbot von Einzonungen auch in der Zukunft noch angemessen ist. Wir bewegen uns ja auf eine Schweiz zu mit gegen 10 Millionen Einwohnern und Einwohnerinnen, davon gehen viele aus.  Da darf man sich schon die Frage stellen, ob man mit der aktuellen Regelung alle Anforderungen auch adäquat erfüllen kann.

Scholl schätzt ja, die vorhandenen Bauzonen reichten aus, um die künftige Entwicklung aufzufangen. Er stützt seine Ansicht unter anderem auf eine Plattform der Professur für Planung von Landschaft und Urbanen Systemen der ETH Zürich mit dem Namen Raumplus, sowie auf weitere Untersuchungen in verschiedenen Kantonen. Und meint: «Das aktuelle Siedlungsgebiet inklusive der vorhandenen Reserven sollten ausreichen, um 10,5 Millionen Menschen Raum zum Wohnen und Leben anzubieten.» Man geht von einer durchschnittlichen Siedlungsfläche pro Einwohner von knapp 400 Quadratmetern aus. Vermutlich lägen, so Scholl weiter, rund 80 Prozent dieser Reserven in kleinen und mittleren Gemeinden, was in diesen Orten grosse Handlungsspielräume eröffne.

«Die Datenbasis müsste allerdings noch gefestigt werden», meint Scholl mit Verweis auf die von ihm vorgeschlagene Einsetzung der Expertenkommission.

Ein Vergleich: Taiwan ist kleiner als die Schweiz, hat aber dreimal so viele Einwohner.