
Gemäss dem Weltwoche Rating gelten unter mitunter jene Gemeinden als besonders attraktiv, die sich durch tiefe Steuerfüsse auszeichnen, also als Steueroasen gelten.
Einem neueren Trend zufolge wandern Reiche aber aus traditionellen Steueroasen auch dann nicht ab, wenn die Steuern nach oben gehen. In der NZZ am Sonntag vom 14.03.2021 zeichnet Albert Steck anhand von Studien von zwei Ökonomen der Universität Basel und Bern eine neue Entwicklung nach.
Reiche bleiben eher als früher, selbst wenn die Steuern ansteigen. Und Reiche verlassen selbst sehr steuergünstige Oasen, wenn sie andernorts Vorteile sehen. Und umgekehrt: Die Verantwortlichen in Steueroasen tun nicht mehr alles nur dafür, dass ihre Steuersätze tief bleiben, um die Reichen festzunageln.
Gemäss einer Studie der Ökonomen Kurt Schmidheiny und Marcus Roller mit Zahlen aus dem Jahre 2016 zahlen Reiche in den Steueroasen wieder deutlich höhere Steuern als 2009. Wer 5 Millionen verdient, legt im Minimum 22% an Steuern auf den Tisch statt wie bisher nur 18%. Die Brunnen in den Steueroasen sind also trockener geworden. Die Spirale mit dem «schädlichen Steuerwettbewerb» – wie er oft bezeichnet wird – ist zum Stillstand gekommen oder hat sich zumindest stark verlangsamt.
Die Entwicklung unterstreicht einen allgemeinen Trend, der unsere ganze Gesellschaft durchzieht. Beispiel Lebensmittel: Früher war der Anteil am Haushaltsbudget für diesen Posten ansehnlich und der Einkauf wurde dort getätigt, wo es am kostengünstigsten war. Heute wird geschaut darauf, woher das stammt was man geniessen will und wie es produziert wurde. Selbst wenn es etwas mehr kostet. Gesucht sind die Produkte aus der nahen Umgebung des Wohnortes. Auch die Essgewohnheiten verändern sich in Abhängigkeit zum Umweltbewusstsein. Viele «Fleischtiger» beginnen ernsthaft, die Folgen ihres Konsums zu bedenken und sinnen ernsthaft über Alternativen nach. Der ökologische Fussabdruck wird zum Thema. Elektroautos werden ernsthaft in Erwägung gezogen und das Fliegen ist nicht nur wegen Corona mehr und mehr vom Radar verschwunden. Ökobilanzen sind ein Thema geworden. Auch das Karrierebewusstsein der Jugend hat sich verändert. Wo es früher darum ging, möglichst rasch möglichst hoch aufzusteigen und mehr und mehr Geld zu verdienen, wird heute vor allem darauf geschaut, ob der Job Spass macht und noch Raum für Freizeit und Familie lässt. Es ist ein Wandel im Gang in der Gesellschaft.
Die Oekonomen-Studie liegt somit exakt im Trend. Und wirft ein Licht auf das Pflichtenheft der Standortförderungen. Wandel hat Wirkung. Während früher Gemeindevorstehende neidisch schielten auf Nachbarn mit tieferen Steuerfüssen, gibt es jetzt an dieser Front eine gewisse Entspannung. Nun geht es um mehr als nur Geld. Steuervorteile sind nicht mehr das A und O, wenn es um das Anlocken von gut betuchten Steuersubjekten geht. Viele andere Dingen spielen auch mit. Ein umfassender Ansatz ist gefragt. Es geht darum, in einer Gemeinde Entwicklungen auszulösen, die ein Wohlfühlen schaffen. Standorte sollen cool sein. Das Gesamtpaket muss stimmen.
Ratings wie jenes der Weltwoche sind unverzichtbar für Vergleiche von Gemeinden untereinander. Es braucht aber auch hier eine Dynamisierung, die Schritt hält mit den Trends in der Gesellschaft. Die Gewichtung der Kategorie Steuern darf angeschaut werden.