Den Frauen Mut machen, sich politisch zu engagieren. Das ist unter anderem das Ziel des Buches, wie Nathalie Christen im Gespräch erläutert. «Wir Autorinnen wollten wissen, wie Politfrauen aus der ganzen Schweiz und aus allen politischen Lagern das Politisieren ganz konkret erleben. 21 Frauen berichten von ihrer Freude am Mitgestalten, wie sie die Politik bereichert, aber auch von den Widerständen und Hindernissen, die es zu überwinden gilt. Vereinbarung von Familie, Politik und Beruf etwa, oder auch die Frage, wie gerade Frauen sich Gehör verschaffen in den politischen Gefilden.»

Das Buch liefert Antworten auf diese Fragestellungen. Und viele Frauen beginnen ihren Weg halt schon auch in der kommunalen Politik.

So etwa Marianne Maret. Sie begann als Mitglied der Kommission für Sozialfragen in ihrem Dorf, wurde später Gemeinderätin, dann Gemeindepräsidentin, später Mitglied im Grossen Rat – und heute ist sie Ständerätin der Partei «die Mitte» im Kanton Wallis. Sie habe sich nie selbst für einen Posten ins Spiel gebracht, berichtet sie. Immer sei sie angefragt worden. Wenn sie das Amt interessierte, zierte sie sich aber nicht, anzunehmen.

Oder Anna Giacometti. Sie begann in einem Bündner Dorf als Protokollführerin. «Die Männer waren des Schreibens überdrüssig. So sind bei uns die Frauen zur Politik gekommen.» Ebenfalls typisch die Art und Weise wie der Aufstieg weiterging. Als der damalige Gemeindepräsident von Bregaglia, Armando Ruinelli, Anna Giacometti anfragte, ob sie seine Nachfolge übernehmen wollte, lehnte sie zuerst ab, weil sie sich nicht in der Lage fühlte, das Amt anzunehmen, das für so viele Bereiche zuständig war. Später kam ihr Krisenmanagement beim Bergsturz von Gondo. Sie hat alles geschafft und ist jetzt im Nationalrat.

Es gibt auch anders: «Gemeindepräsidentin ist eine ideale Stelle für eine Mutter». Mit dieser fast schon männerausschliessenden These empfiehlt sich die Stelleninhaberin der Gemeinde Ufhusen im Kanton Luzern. Dabei dachte Claudia Bernet-Bättig früher, wenn sie Gemeindeversammlungen besuchte: «Da vorne möchte ich nie stehen.» Heute nimmt sie im Vorfeld einer Versammlung ihre Stimme auf Tonband auf und hört sich selber sprechen (muss ich mir merken Anm d. Red.). Auftreten sei auch heute noch nicht ihre Lieblingsbeschäftigung. Die langjährige Inhaberin von Coiffeursalons ist in ihr Amt hineingewachsen. Das Muttersein an der Gemeindespitze hat auch einen erzieherischen Wert für sie: «Es macht meine Kinder selbständiger.»

Man sieht: So viele Vorteile hat ein Leben in der Politik! Positive Nebeneffekte zuhauf. Wenn man all das liest, was die Autorinnen auf fast 300 Seiten im haptisch wunderbaren Einband protokollieren und featuren können, versteht man eigentlich nicht mehr, dass es Gemeinden in der Schweiz gibt, die Mühe haben geeignete Kräfte für ihre Spitze zu gewinnen.

Kaum eine berühmte Frau in der Schweizer Politik, die hier in diesem Buch nicht portraitiert ist: Von Bundesrätin Viola Amherd über Petra Gössi, die ehemalige Präsidentin der FDP, zu Mattea Meyer, der Co-Präsidentin der SP Schweiz: Mit Feingefühl und Witz, manchmal auch mit Nachdenklichkeit und viel Charme kommen hier alle weiblichen Charaktere zum Zug. Es ist leicht verdaulich. Man kann täglich eines von 21 Portraits lesen und ist in einem Monat durch. Wenn man schon älter ist, darf man dann auch wieder von vorne anfangen, um den Erinnerungsgehalt aufzufrischen. Wichtig ist es nur, nicht zu vergessen, den Bändel an der richtigen Seite einzulegen, sonst verliert man sich womöglich zwischen den Seiten.

Und: All die die Tipps im Buch sind auch sonst im Leben ganz hilfreich.

ps. Es macht Sinn, es heute schon zu bestellen, die Päcklidienste an Weihnachten dürften überlastet sein. 

Ihr

Bruno Hofer

13.10.2021

 

Nathalie Christen, Linda Bourguet, Simona Cereghetti. Schweizer Politfrauen. 21 Portraits die inspirieren. Verlag Schweizer Illustrierte, Beobachter-Edition. 2021 Ringier.