Seit 1997 verfügt der Kanton Schaffhausen über eine Wirtschaftsförderung. Immer wieder macht sie positive Schlagzeilen. Sie tritt frisch und aktiv auf, andere Regionen beäugen sie sogar mit einer Mischung aus Bewunderung und Respekt.

Das Besondere daran ist die strukturelle Organisation: In keinem anderen Kanton der Schweiz gibt es eine Wirtschaftsförderung, die keine kantonale, sondern privatrechtlich organisiert ist. Und dies seit bereits einem Vierteljahrhundert! Das Mandat dazu wurde an die Generis AG, die 1995 gegründet wurde, vergeben.

Was Thomas Holenstein als Generis-Gründer in jungen Jahren aufbaute, hat heute noch Bestand. Dieses Jahr kann Generis ihr 25 Jahr-Jubiläum der Standortförderung Schaffhausen feiern. Und das Mandat läuft noch zwei Jahre weiter. Mindestens jedenfalls. Denn dann wir neu ausgeschrieben.

Was war der Grund für diese private Lösung? Fragen dazu gehen an Regierungsrat Dino Tamagni, Vizepräsident des Regierungsrates des Kantons Schaffhausen und Vorsteher der Volkswirtschaftsdepartements.

Dino Tamagni: In den 1990er-Jahren verlor der Kanton Schaffhausen aufgrund der Industriekrise überproportional viele Arbeitsplätze. Der kantonale Gewerbeverband regte deshalb eine Projektgruppe zur Entwicklung eines Impulsprogramms für die Schaffhauser Wirtschaft an. Die Leitung dieses Prozesses namens WERS – Wirtschaftsentwicklung Region Schaffhausen – wurde Thomas Holenstein und seiner Generis AG übertragen. Dabei wurden in 16 Arbeitsgruppen rund 150 Massnahmen für die Abfederung der wirtschaftlichen Folgen der Industriekrise erarbeitet. Eine Massnahme darunter war die Schaffung einer professionellen kantonalen Wirtschaftsförderung.

 

Blieb es eine Regierungsmassnahme oder kam es auch zu einer Volksabstimmung?

 

Dino Tamagni: Innert kürzester Zeit wurde das Wirtschaftsförderungsgesetz erarbeitet und per Abstimmung vom Volk im Februar 1999 angenommen. Aufgrund der positiven Erfahrungen aus dem Projekt WERS übertrug der Kanton Schaffhausen die Leitung der neuen Wirtschaftsförderungsstelle mittels Leistungsauftrag der Generis AG und machte so Thomas Holenstein zum Wirtschaftsförderer. Seither hat sich die Generis AG mehrmals über eine öffentliche Ausschreibung erfolgreich für das Mandat beworben.  

Warum wurde eine private Lösung gewählt?

Dino Tamagni: Da gibt es verschiedene Gründe. Zum einen bringt ein Privatunternehmen ein unternehmerisches Denken mit sich. Die Generis AG hat zudem ein tiefes Verständnis, wie wirtschaftliche Entscheide gefällt werden und weiss sich in der Schnittstelle zwischen Wirtschaft und Politik zu bewegen. Dies eröffnete dem Kanton Schaffhausen neue Perspektiven und von diesem Denken und Schaffen profitiert er bis heute. Ausserdem bestand in den 1990er -Jahren auch ein gewisser Handlungsdruck. Durch die private Lösung wurde sichergestellt, dass die nötigen Strukturen und das Know-how innert kürzester Zeit aufgebaut werden.

Warum gab es keine Mischform wie z.B. in Luzern mit einer Stiftung?

Dino Tamagni: Es gibt verschiedene Modelle, die zeigen, wie man erfolgreich Wirtschaftsförderung betreiben kann. Der Kanton Schaffhausen hat in seinem Wirtschaftsförderungsgesetz festgehalten, dass die Wirtschaftsförderung über eine Leistungsvereinbarung an Dritte ausgelagert werden kann. Dies war ein bewusster Entscheid, um die politische Führung durch das Volkswirtschaftsdepartement gezielt mit unternehmerischer Wirtschaftskompetenz zu erweitern. Darüber hinaus entstand die Wirtschaftsförderung in der Zeit einer Krise – und in der galt es für alle, Verantwortung für die Zukunft des Kantons zu übernehmen. So stellte sich die Frage nach einem Modell mit einer Stiftung damals gar nicht. Aufgrund der überzeugenden Projektleitung empfahl sich die Generis AG als ideale Lösung. Und der Erfolg des Kantons Schaffhausen gibt uns bis heute recht.

Warum hat sich die gefundene Lösung offenbar bewährt?

Dino Tamagni: Bis heute hat die Schaffhauser Wirtschaftsförderung mehr als 500 Unternehmen angesiedelt und dadurch eine starke Diversifikation der Schaffhauser Firmenlandschaft erreicht und sich zu einem präferierten Headquarter-Standort entwickelt. Durch die Bestandspflege wurden darüber hinaus bestehende Firmen bei der Transformation zu Hightech-Unternehmen unterstützt, was zu einer robusten Industrielandschaft führte. Die Industrie als Rückgrat der Wirtschaft macht weiterhin einen wesentlichen Anteil der Schaffhauser Unternehmenslandschaft auf. Gleichzeitig setzt die Wirtschaftsförderung regelmässig neue Akzente im Standortmarketing und der Positionierung. So hat man zum Beispiel bereits früh das Wohnort- und Fachkräftemarketing als wichtigen Pfeiler aufgebaut und geht bei der Nutzung digitaler Möglichkeiten neue Wege bei der Standortpromotion. Der Kanton Schaffhausen ist in Bezug auf Standortpromotion unverändert ein Vorreiter in der Schweiz. Dies steht in engem Zusammenhangmit der gewählten Organisationsform.

Gab es jemals Diskussionen, das Modell zu ändern?

Dino Tamagni: Meines Wissens nicht. Die Zusammenarbeit zwischen dem Wirtschaftsamt als öffentlich-rechtlichem Vertreter des Volkswirtschaftsdepartementes, der Regierung und der Wirtschaftsförderung hat sich bestens bewährt. Die Erfolge geben der gewählten Form recht.

Welches sind die Kernaufgaben der Schaffhauser Wirtschaftsförderung?

Dino Tamagni: Die Wirtschaftsförderung selbst ist die Speerspitze in der Promotion des Kantons gegen aussen und agiert als «One-Stop-Shop» für ansässige und ansiedlungswillige Unternehmen. Die Aufträge leiten sich aus dem Wirtschaftsförderungsgesetz ab.  Die wichtigsten sind die Ansiedlung neuer Unternehmen, die Bestandspflege der ansässigen Firmen, die Unterstützung von innovativen Vorhaben sowie die Promotion des Kantons Schaffhausen als Wohn- und Arbeitsregion.

Die Tätigkeiten zur Erfüllung ihrer Aufgaben umfassen dabei auch die Netzwerkpflege oder die Funktion als Impulsgeber für die Region. Aktuell ist sie eine der treibenden Kräfte im Projekt Entwicklungsstrategie, deren Resultate am 22. August unter next.sh.ch präsentiert werden – und einen wesentlichen Einfluss auf die künftige Gestaltung der Region Schaffhausen haben werden.

Wie funktioniert die Führung von Seiten des Kantons?

Dino Tamagni: Das Volkswirtschaftsamt und die Wirtschaftsförderung arbeiten eng zusammen und tauschen sich täglich aus. Die Festlegung der Strategie und der operativen Schwerpunkte erfolgt abgeleitet aus den Zielen und den Legislaturschwerpunkten des Regierungsrates, wobei ein enger institutionalisierter Austausch über strategische Stossrichtungen und operative Tätigkeiten besteht. Die volle Leistungsfähigkeit erbringt die Wirtschaftsförderung nur dank der sehr engen Zusammenarbeit mit anderen Amtsstellen – wie beispielsweise mit der kantonalen Steuerverwaltung, dem Migrationsamt oder auch den Kommunen. Das wir oft vergessen. Die kurzen Wege und das pragmatische Vorgehen sind ein wesentlicher Grund für den nachhaltigen Erfolg des Kantons Schaffhausen.

Wer ist Ansprechstelle beim Kanton?

Dino Tamagni: Das Volkswirtschaftsdepartement vertreten durch das Wirtschaftsamt.

Was ist für die Zukunft geplant? Bleibt die Lösung so bestehen im Prinzip, oder denkt man über eine Veränderung nach?

Dino Tamagni: Aktuell wird in Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft, Wirtschaftsförderung und Regierung die Entwicklungsstrategie 2030 erarbeitet. Deren Ergebnisse ergänzen zusammen mit den Legislaturzielen des Regierungsrates die Leitplanken für die Wirtschafts- und Ansiedlungspolitik der nächsten zehn Jahre. Es ist nicht vorgesehen, von einer Wirtschaftsförderung oder von der Vergabe an ein privatrechtliches Unternehmen abzusehen.

 

Vielen Dank Herr Tamagni. Dino Tamagni (54) ist seit 1. Januar 2021 Regierungsrat des Kantons Schaffhausen. Er wohnt in Neuhausen ist verheiratet, Vater zweier Töchter und Mitglied der SVP. Vor seiner Wahl in den Regierungsrat war er unter anderem Gemeinderat von Neuhausen am Rheinfall und in Geschäftsleitungen von verschiedenen Firmen tätig.