
Mit der Demokratie ist es in Adligenswil nicht weit her. Dies könnte man jedenfalls meinen, wenn man die jüngste Aktion der Partei «Die Mitte» anschaut. Sie behauptet, es fehle an Möglichkeiten zur Mitbestimmung. Die Machtkonzentration beim Gemeinderat sei problematisch.
Ein Blick in eine Zeitungsberichterstattung führt jedoch zu einem anderen Schluss. Längst nicht alle Macht geht vom Gemeinderat aus. Es gibt im Gegenteil Fragestellungen, die in Adligenswil mehr Demokratie zulassen als an vielen anderen Orten und aus dem Ort eine Musterdemokratie machen. Mir ist jedenfalls keine Gemeinde bekannt, in der Ehrenbürgerschaften vom Volk abgesegnet werden müssen. Normalerweise liegen solche Ehrenbekundungen in der Hand der Exekutive.
In Adligenswil jedoch ist genau das der Fall! So wurde am 15.05.2022 Hans Meier ganz offiziell in einem Urnengang zum Ehrenbürger gewählt. Dies berichtet die Luzerner Zeitung in Ihrer Online-Ausgabe.
Nicht von ungefähr steht die Partei «Die Mitte» mit ihrem Anliegen allein auf weiter Flur. Die SP findet die Stossrichtung unklar, die SVP meint, der Gemeinderat lasse genügend Mitbestimmung zu und die FDP lässt verlauten, allzu viel Mitbestimmung könne auch zu Verzögerungen führen. Einzig die Grünen stossen ins selbe Horn wie die Mitte. Es brauche ein Korrektiv.
Hintergrund der Debatte ist die Auflösung der Institution “Gemeindeversammlung”. Hier will die Mitte korrigierend eingreifen und hat eine Volksinitiative auf den Weg gebracht sowie Plakate in der schönen Vorortsgemeinde von Luzern postiert. Forderung: Der Gemeinderat solle ein geeignetes politisches Instrument entwickeln, um das Vacuum zu füllen, das durch die Abschaffung der Gemeindeversammlung entstanden sei.
380 Unterschriften sind nötig, um eine Volksabstimmung über das Anliegen der Mitte zu erzwingen. Um im Gemeinderat eine positive Grundstimmung zur Initiative auszulösen, könnte das Initiativkomitee ein Zückerchen ins Begehren tun. Im Gegenzug zu einer allfälligen Wiedereinführung einer Gemeindeversammlung könnte man dem Gemeinderat die Kompetenz übertragen, bei Ehrenbürgerschaften das letzte Wort zu haben.
Denn eine wirkliche demokratische Errungenschaft scheint diese Mitbestimmung des Volkes bei der Ehrenbürgerschaft für Hans Meier nicht gewesen zu sein. Der 1941 geborene, ehemalige Gemeindeammann erzielte zwar ein Quorum von 91,3 Prozent der Stimmen, was allerdings an DDR-Verhältnisse gemahnt. Anderseits dürften die 380 Nein-Stimmen den neuen Ehrenbürger auch nicht wirklich mit Freude erfüllt haben. Zudem ist rätselhaft, warum es genau gleich viele Neinsagende gibt wie nötig sind, um eine Volksinitiative zustande zu bringen, nämlich 380.
Demokratie und Adligenswil: Ein Kaleidoskop von Widersprüchlichkeiten. Man darf gespannt sein, mit welchen Ansätzen und Methoden die 5500-Seelen-Gemeinde die Ansprüche der Zeit erfüllen wird.
Ihr
Bruno Hofer
15.05.2022