
Dass Endlager gewisse negative Auswirkungen für eine Region haben, scheint erstellt zu sein. Kann es aber auch sein, dass die Region auch profitieren kann von einem Tiefenlager für radioaktive Abfälle? Dieser Frage ging Roland Scherer im Auftrag des Bundesamtes für Energie BFE mit seinem Team in St. Gallen nach. Das Institut für Systemisches Management und Public Governance erstellte hierzu eine Studie mit dem Titel «Beschaffungswesen und Regionalwirtschaft».
In dieser Studie geht es um mehr als nur um Endlager. Behandelt wurden ganz allgemein Grossbaustellen in der Schweiz. So zum Beispiel der Zwischenangriff in Sedrun im Rahmen der NEAT-Baustelle, das Kraftwerksprojekt Linthal 2015, aber auch internationale Vergleiche wie beispielsweise der Flughafen Berlin Brandenburg wurden angestellt.
Es steht die protektionistische Gewerbeförderung im Clinch zum internationalen Wettbewerb. Während bisher bis rund in die 90er Jahre hinein traditionell nach Möglichkeiten gesucht wurde, bei Grossprojekten eine regionale Gewerbeförderung einfliessen zu lassen, erfuhr das öffentliche Beschaffungswesen im Zusammenhang mit verschiedenen internationalen Verträgen einen grundlegenden Wandel. Die Bevorzugung einheimischer Unternehmen wurde zugunsten der Liberalisierung und internationalen Ausschreibungen zurückgestellt.
Dennoch gibt es Möglichkeiten der Einflussnahme. «Eine wichtige Rahmenbedingung für die Beteiligung regionaler Unternehmen ist das Selbstverständnis und die darauf bezogene Vergabekultur der Bauherrin,» heisst es im Bericht. Diese bestimme, inwieweit Möglichkeiten einer regional orientierten Vergabepraxis ausgeschöpft würden. Es gibt also Spielraum.
In Bezug auf das geplante Tiefenlager wurden in den Jahren 2018 bis 2020 von der Nagra bereits schon 52 Zuschläge an Lieferanten vorgenommen mit einer totalen Auftragssumme von CHF 208,4 Mio. 43 Prozent davon betreffen Dienstleistungsaufträge. 87 Prozent davon wurden international ausgeschrieben, 58 Prozent in der Schweiz vergeben. Der Auftragswert der ausländischen Anbieter betrug jedoch 71 Prozent. CHF 14,2 Millionen gingen an Unternehmen und Einrichtungen direkt in der Standortregion. Dabei handelte es sich im Wesentlichen um Bauaufträge für die Erstellung und Erschliessung von Bohrplätzen.
Das regionale Umsatzpotenzial beträgt in einer gewissen Bauphase rund CHF 1,2 Milliarden, was etwa einem Viertel der Gesamtausgaben entspricht. Bei nicht spezialisierten Leistungen habe das lokale und regionale Gewerbe somit durchaus ihre Chance. Dies ist bedeutsam, befinden sich doch in der Standort-Region Jura Ost knapp 800 Unternehmen der Branche mit gut 6000 Beschäftigten und in Nördlich Lägern sind es 700 Firmen mit 4200 Mitarbeitenden.
Geringe Chancen einer Auftragsvergabe rechnen die Studienautoren im Bereich des Untertagebaus. Mittlere Chancen seien jedoch erkennbar in den Bereichen «Oberflächenanlage», «Ausbaugwerbe» sowie bei vorbereitenden Baustellenarbeiten und Bauinstallationen. Gerechnet wird mit einem Volumen von rund einer halben Milliarde Franken während den nächsten 40 Jahren.
Gesamthaft kommt Roland Scherer in einer Publikation des BFE vom September 2021 (Nr. 17) zum Schluss, dass zwar ein gewisses Potenzial bestehe, doch dieses sei «gesamtwirtschaftlich betrachtet überschaubar».
Damit die regionale Wirtschaft profitieren könne, müssten die Weichen früh gestellt werden, so die Empfehlung.
Nicht erfasst in den Untersuchungen sind die Standort-Abgeltungen, die ebenfalls im Raum stehen und deren Ausgestaltung sich in Diskussion befindet.
Ihr
Bruno Hofer
15.09.2021