Der Kanton Aargau ist gut unterwegs. Standard & Poor’s (S&P) vergab ihm jüngst neu sogar das AAA-Rating. Bravo. Der Kanton gilt auch als innovativ. Nicht nur was die Wirtschaftsförderung angeht mit dem innovations-Hub Hightechzentrum Aargau oder bei der Digitalisierung, wo Regierungsrat Markus Dieth in einem nationalen Leitungsgremium Einsitz hat, nein, auch in Bezug auf die Gestaltung demokratischer Mitwirkungsprozesse. Nicht von ungefähr liegt das mit der Uni Zürich verbundene Zentrum für Demokratie in Aarau.

Jüngstes Beispiel für das demokratisch innovative Schaffen des Kantons: Die kantonalen Abstimmungsunterlagen. Nicht nur auf Bundesebene sind Abstimmungsunterlagen ein steter Zankapfel. Kritikpunkte sind einerseits die mangelhafte Verständlichkeit und anderseits eine ungenügende Neutralität und Ausgewogenheit der Argumente von Befürwortern und Gegnern.

Jetzt sollen die Nutzer beurteilen, wie Abstimmungsunterlagen zu gestalten sind. Dies im Rahmen des Projekts Demoscan Aargau, das vom Institut für Politikwissenschaft der Universität Zürich geleitet wird.

Nur, wer soll als Nutzer eine Beurteilung abgeben? Hierzu wird die neue Methode «Bürgerpanel» eingesetzt, die sich bereits an anderen Orten bewährt hat. Es geht ums Los.

Zuerst erhalten 3000 stimmberechtige Personen, die in Aargauer Gemeinden wohnen, eine briefliche Einladung zur Teilnahme an einem Projekt, das die Abstimmungsunterlagen für den Urnengang vom 18.06.2023 mit einem Bürgerbrief ergänzen soll. Dieser soll die Inhalte noch verständlicher umreissen.

Wer will, kann sich melden. Aus den eingegangenen Meldungen werden am 23.02.2023 in aller Öffentlichkeit 22 Personen ausgelost, die dann an zwei Wochenenden zusammen den Bürgerbrief erarbeiten sollen.

Die ganze Durchführung wird wissenschaftlich begleitet und die Auswertung im Herbst 2023 veröffentlicht.

Mit diesem Projekt soll einerseits die Wirksamkeit und der Nutzen solcher per Los bestimmter Bürgerpanels (Bürgerräte) getestet werden. Weiter soll es – gemäss Medienmitteilung – zur informierten Meinungsbildung im Vorfeld einer Volksabstimmung beitragen und neue Demokratieansätze erforschen.

Die freie und unverfälschte Willensäusserung bei der Stimmabgabe ist ein hoher Wert im demokratischen Prozess, der vom Bundesgericht wiederholt gestützt wurde (so etwa BGE 113 I A 46). Die Willensbildung geht diesem Schritt voraus. Sie kann nur durch Information geschaffen werden.

Bleibt zu hoffen, dass das Bürgerpanel bei der Beschreibung der Abstimmungsvorlage nicht zu einem ganz anderen Narrativ findet, als es die Verantwortlichen politischen Behörden vorgaben, sprich: dass sich der Begleitbrief und die Abstimmungsunterlagen nicht widersprechen. Tun sie es nicht, ist das gut so. Es stellt sich dann allerdings auch die Frage, was für einen Zusatznutzen dann der Bürgerbrief noch hat. Immerhin wird die Los-Methode dann nicht falsifiziert.

21.01.2023

Newsletterbild: Bruno Hofer und Starryai (KI)