Jede Gemeinde in der Schweiz verfügt auch über ein Archiv. Darin wird all das gelagert, was nicht mehr aktuell verwendet werden muss. Oft wird recht pragmatisch gehandelt, wie Jürg Hagmann berichtet, Eigentümer von RIM Consulting in Baden.

 

Kommunalmanagement: Herr Hagmann, Sie sind Spezialist für Records Management, das heisst für die Verwahrung (Aufbewahrung) von Daten und Unterlagen. Welches war in Ihrer Praxis das Abstruseste, was Sie in diesem Zusammenhang entdecken mussten?

 

Jürg Hagmann: Sehr absurd fand ich mal in einem Betrieb die Haltung eines «Verantwortlichen», der sich trotz interner Weisungen grundsätzlich weigerte, sich des Themas anzunehmen, obwohl durch die Geschäftsaktivitäten so oder so jeden Tag Unterlagen anfallen, die bewirtschaftet werden müssen.

 

Kommunalmanagement: Wie gehen Sie vor, wenn Ihnen eine Gemeinde den Auftrag erteilt, ihr Archiv quasi aufzuräumen?

 

Jürg Hagmann: Wie bei jedem Projekt gibt es zuerst eine Art IST-Analyse, um den Umfang (Mengengerüst) und den «Reifegrad» der Aufbewahrung im Kontext der Organisation abzuschätzen; dazu gehört auch ein Statement zu möglichen Nutzenaspekten eines aufgeräumten Archivs mit einer Kostenschätzung der Umsetzung (Offerte). Dann kann der Kunde / die Kundin entscheiden, ob die entsprechenden Ressourcen investiert werden sollen. Es ist letztlich eine Frage der Wertschätzung der Information über die Entwicklung einer Gemeinde, unabhängig von ihrer Grösse.

 

Kommunalmanagement: Müssen die archivierten Gemeinde-Unterlagen in atombombensicheren Bunkern gelagert werden?

 

Jürg Hagmann: Nein. Es gibt keine derartigen Vorschriften, lediglich die Anforderung, dass archivwürdige Unterlagen vor Feuer und Wasser oder anderen Gefahren adäquat geschützt werden müssen. Dies wird in den letzten Jahren auch von den Statthalterämtern vermehrt kontrolliert (Revisionen). Die atomsichere Archivierung entspricht meiner Meinung nach einer unrealistischen Maulwurfmentalität: wenn ich unter der Erde bin, sehe ich nichts und wenn ich nach oben komme, bin ich blind!

 

Kommunalmanagement: Gibt es kantonale Vorgaben für den Umgang mit archivierten Unterlagen?

Kommunalmanagement: Ja sicher. Bei Projektbeginn steht immer die Frage im Raum, ob es bereits normative Vorgaben gibt (in der Regel kantonale Verordnungen und Registraturen), und ob diese bekannt sind. Das ist sozusagen der Teil der obligatorischen Vorschriften, die es in den meisten Kantonen gibt. Der Geltungsbereich solcher Vorschriften wurde inzwischen auch auf die kommunale Ebene ausgeweitet. So umfasst zB die Direktionsverordnung des Kantons Bern von 2014 über die Verwaltung und Archivierung der Unterlagen von öffentlich-rechtlichen Körperschaften nach Gemeindegesetz und deren Anstalten (ArchDV Gemeinden) neben den Aufbewahrungsrichtlinien auch ein Ordnungssystem (Registratur), also eine Vorlage, wie die Unterlagen in einer Ablage operativ klassifiziert und archiviert werden können.

Kommunalmanagement: Hat das digitale Zeitalter die Herausforderungen der Archivierung erschwert oder erleichtert?

Jürg Hagmann: Beides. Die Digitalisierung erleichtert zwar den Zugriff auf benötigte Daten, verbessert somit die Nachvollziehbarkeit von Geschäftshandeln und sichert die historische Überlieferung einer Gemeinde. Andererseits werden die Investitionen in die digitale Transformation unterschätzt, weil sie nachhaltig sein müssen, d.h. es braucht zuverlässige und machbare Migrationskonzepte, die kuratiert sein müssen. Das grösste Hindernis sind allerdings immer noch die massiven Veränderungsresistenzen der verantwortlichen Akteure. Deshalb dauern Digitalisierungsprojekte immer viel länger als geplant, weil sie nicht zur Kultur passen.

Kommunalmanagement: Vielen Dank für das Gespräch.